Alles, was ist: Roman (German Edition)
für ihn wie ein prächtiges Federtier und er der Fuchs.
Sie mochte seine Härte. Er war athletisch gebaut und spielte im örtlichen Softballteam auf der Second Base. In den Bars und Restaurants, in die er ging, kannte er die Bedienung. Sie wollte ihn nicht an Orten treffen, wo man ihr Auto sehen konnte, sie gingen stattdessen in ein Restaurant, das nie sehr voll war, saßen an der Bar, tranken und redeten, ihre Autos standen draußen nebeneinander zwischen den Bäumen. Es wurde Abend, die Dämmerung brach herein. Ihr Kinn lag in ihrer Hand, ihre schlanken Finger waren ausgestreckt. Er erzählte ihr von seinem Bruder und dem schrecklichen Unfall, den sie gemeinsam gehabt hatten. Sein Bruder saß im Beifahrersitz. Er war hirntot, als sie im Krankenhaus ankamen – das war noch in Providence –, aber sie schlossen ihn noch drei Tage an eine Herz-Lungen-Maschine. Seine Frau musste schließlich einsehen, dass es hoffnungslos war, wollte ihn aber noch am Leben halten, bis sie ihm etwas Sperma abnehmen konnten – sie hatten keine Kinder, und sie wünschte sich eins.
»Und was ist dann passiert?«
»Ich erzähl es dir wann anders«, sagte er.
»Erzähl es mir jetzt.«
»Sie haben meins genommen. Oder sagen wir, sie hat es genommen.«
»Du bist also Vater.«
»Ja, ich denke, technisch gesehen schon«, sagte er.
»So technisch ist das nicht.«
An jenem ersten Abend wollte Christines Wagen nicht anspringen, als sie aufbrachen. Es war Bowmans alter Wagen – er hatte ihn seit mehr als zehn Jahren.
»Warum fährst du auch einen Volvo?«, fragte Rochet.
»Das Auto gehört nicht mir«, sagte sie.
»Wem gehört es?«
»Das ist eine andere Geschichte. Frag mich ein andermal.«
»Alte verheiratete Paare fahren sowas«, sagte er.
»Auf jeden Fall ist er sonst immer angesprungen. Verstehst du was von Autos?«
»Ich fürchte ja«, sagte er.
Es war nichts Großes – die Batterieklemme war lose. Er kratzte sie vorsichtig mit einem Taschenmesser sauber und steckte sie wieder auf.
»Versuch es jetzt noch mal.«
Der Wagen startete, und sie fuhr ihm hinterher.
Sein Haus hatte eine kleine Veranda und war wie ihres nie abgeschlossen. Es war im Grunde ein Sommerhaus mit zwei Zimmern, eines oben, eines unten. Er hatte nur noch eine halbe Flasche Wein, und sie trank sie mit ihm und fühlte sich wieder wie neunzehn.
»Zieh die Schuhe aus, wenn du magst«, sagte er.
Er beugte sich nach unten und öffnete sich die Schnürsenkel. Sie saßen barfuß und tranken im Dunkeln. Er küsste ihren Hals, und sie ließ ihn ihre Bluse ausziehen. Sie liebten sich auf der Couch. Bei ihrem nächsten Besuch gingen sie nach oben. Sie wollte sich eigentlich nur umsehen, aber auf dem Treppenabsatz oben drehte sie sich zu ihm um und streifte langsam ihre Ohrringe ab. Er war auf ihr wie ein Tier. Sie trafen sich bei ihm, aber nicht immer. Er kam zu Fuß die Einfahrt herauf, er hatte vorsichtshalber auf der Straße geparkt, und sie hatte auf ihn gewartet. Er folgte ihr ins Haus. Wem gehört es?, fragte er. Es machte einen guten Eindruck, trocken. Die Wände müssten gestrichen werden. Sie stand vom Bett auf, sie hatten sich stundenlang geliebt, und sie hatte schrecklichen Durst.
Bowman wusste nichts von allem, und er ahnte auch nichts. Er sah sich als Eros und Christine war die seine. Er lebte im Genuss, sie zu besitzen, so unglaublich es auch schien, es war so einfach, so ausgewogen. Als wäre er mit einem Mal Teil der geheimen Welt der Sinne, sah er, was er zuvor nicht gesehen hatte. Auf dem Weg zur Arbeit kam er an einem Blumenladen vorbei und nahm zwischen den dichten Grünpflanzen im hinteren Teil ein Mädchen wahr, das sich mit gestreckten Beinen nach vorne beugte, ein Mann trat hinter sie. Das Mädchen änderte ihre Position. Sah er das wirklich, dachte Bowman, am Morgen, während die normale Welt an ihm vorüberzog? Eine ältere Frau blieb ebenfalls stehen, doch in dem Moment veränderte sich die Szenerie. Das Mädchen hatte sich nur nach vorne gebeugt, um ein paar Blumen zu arrangieren, und der Mann stand neben und nicht hinter ihr. Es hätte ein Omen oder Teil eines Omen sein können, aber er war nicht empfänglich für Omen.
Als Erstes erhielt er Nachricht in Chicago, wo er wegen des Buchhändlerkongresses hingefahren war. Gegen ihn war eine Klage erhoben worden. Es ging um den alleinigen Eigentumsanspruch an dem Haus. Er rief sofort Christine an und hinterließ eine Nachricht. Es war früh am Abend, aber sie rief nicht zurück. Er
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