Alles, was ist: Roman (German Edition)
noch die Pfeiler ab. Pfeiler reißen, sagten sie dazu.
Genau das mache er jetzt, sagte er. Die Pfeiler reißen.
Am Ende mochte Bowman ihn so sehr, dass er seine Meinung über das Buch änderte. Sie nahmen es. Leider verkauften sich nur wenige Exemplare.
Alles in jener Zeit war vom Krieg in Vietnam überschattet. Die Leidenschaft vor allem junger Menschen, die sich gegen den Krieg auflehnten, war unaufhaltbar entfacht. Die endlosen Listen der Gefallenen, die sichtbare Brutalität, die vielen Versprechen von einem Sieg, die nie gehalten wurden, bis der Krieg wie ein zügelloser Sohn wirkte, der sich nie ändern würde, und der immer wieder aufgenommen werden müsste.
Gleichzeitig, als eine Art Gegenmittel, gab es eine neue Welle der Kunst, die wie eine unerwartete Flut hereinströmte. Zum einen war da die Malerei, aber es gab auch die europäischen Filme mit ihrer Frische und Offenheit. Sie schienen eine Humanität anzubieten, die im Leben gefährdet war. Bowman hatte sich aufgrund eines verwirrten Ehrgefühls geweigert, bei einer großen Antikriegsdemonstration in Uniform mitzulaufen. Aber er war überzeugter Kriegsgegner, welch denkender Mensch wäre das nicht?
Sein Leben ähnelte derweil dem eines Diplomaten. Er genoss Status, Respekt und begrenzte Mittel. Er arbeitete mit Menschen, einige darunter unglaublich begabt, ein paar davon unvergessen, Auden, der zu früh in Hausschuhen auftauchte und fünf oder sechs Martinis trank und dann eine Flasche Bordeaux, das faltige Gesicht in Zigarettenrauch gehüllt; Marisa Nello, die, mehr Dichtergeliebte als Dichterin, die Treppe heraufkam und in einem furchtbaren Französisch Baudelaire zitierte. Es war ein Leben, das seinen Aufgaben überlegen war, mit Blick auf die Geschichte, Architektur und menschliches Verhalten, einschließlich glühender Nachmittage in Spanien, die Fensterläden geschlossen, ein Lichtkeil brennt durch die Dunkelheit.
Er war in ein Apartment auf der sechsundfünfzigsten Straße gezogen, nicht weit von der efeuumrankten Villa entfernt, vor der er damals vor vielen Jahren gewartet hatte, um mit Kindrigen zu sprechen. Er hatte eine Putzfrau, die dreimal die Woche kam und auch Einkäufe für ihn machte, die Liste stand auf einer kleinen Tafel in der Küche neben ein paar Extradingen, die sie erledigen könnte. Er aß nur gelegentlich in seinem Apartment, manchmal bereitete sie das Essen für ihn zu und ließ es dann im Ofen. Gewöhnlich aß er auswärts, entweder in einem Restaurant, oder er war auf eine Gesellschaft eingeladen. Hin und wieder ging er ins Kino oder auch ins Theater. Manchmal zog er einfach ohne Theaterkarte los und stand in Anzug und Krawatte mit einem Pappschild vor dem Eingang: Suche Eintrittskarte!, und war nur selten erfolglos. In der Oper gefielen ihm Aida und Turandot am besten, und dann die Dunkelheit inmitten der weißen Gesichter, die sich den großen Arien hingaben und einem Gefühl von Sicherheit in der Welt.
Manchmal gab es Verlegerpartys mit jungen Frauen in schwarzen Kleidern mit leuchtenden Gesichtern, die sich ein Leben davon versprachen, Mädchen, die in kleinen Apartments wohnten mit Kleiderbergen neben dem Bett und Fotografien vom Sommer, die sich an den Rändern wellten.
Er liebte seine Arbeit. Das Leben war gemächlich und doch definiert. Im Sommer war die Woche etwas kürzer, am Freitag gingen alle schon gegen Mittag nach Hause, und manche kehrten montags auch erst gegen Mittag zurück, sie waren in ihre Häuser nach Connecticut oder Wainscott gefahren, alte Häuser, die man vor zehn Jahren mit Glück noch für ein Butterbrot bekam. Besonders ein Haus hatte es ihm angetan, es gehörte einem anderen Lektor, Aaron Asher, ein Bauernhaus, das verborgen zwischen Bäumen stand. Es gab aber auch andere Häuser, Bilder eines geordneten Lebens, Küchen mit einfachen Schränken, alte Fenster, die Behaglichkeit des Ehelebens, manchmal übertraf es alles andere – Frühstück am Morgen, Gespräche, späte Abende und nichts, was Exzess oder Verfall vermuten ließ.
Im Leben brauchte man Freunde und einen Ort zum Leben. Er hatte Freunde, im Verlagswesen und auch sonst. Er kannte Leute, und sie kannten ihn, Malcolm Pearson, sein ehemaliger Zimmernachbar, kam mit seiner Frau Anthea in die Stadt, oder auch mit ihrer Tochter, um ins Museum zu gehen oder in eine Galerie, deren Besitzer er kannte. Malcolm war älter geworden. Ihm missfielen Dinge, und er ging mit Stock. Werde ich alt? fragte sich Bowman. Es war etwas, worüber
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