Alles, was ist: Roman (German Edition)
möglich, genug von ihr zu bekommen. Tschechow hatte gemeint, dass Liebe, die nur einmal im Jahr stattfand, eine unbeschreibliche Kraft besaß, die Kraft einer großen, religiösen Erfahrung, und öfter wäre es nur etwas wie Nahrung. Aber wenn das der Preis wäre, war Bowman nur allzu bereit ihn zu zahlen.
Am Morgen lagen Kleidungsstücke von ihr herum, ihre Schuhe, die er besonders mochte, lagen neben dem Stuhl. Sie stand in der schmalen Küche und machte Kaffee. Sie würden im Einklang miteinander leben, das wusste er von der Art, wie sie sprach und sich benahm, durch ihre Intimität. Er war schon verliebt gewesen, ganz und gar verliebt, aber immer war es jemand gewesen, der anders war, nicht wie er selbst. Mit Christine hatte er das Gefühl, sie seit jeher zu kennen. Wenn sie sich von ihrem Mann trennen könnte, würden sie heiraten.
Das waren seine Gedanken, als er durch den Central Park ging, das weite Grün, eingefasst von den hohen Gebäuden, die im Morgenlicht strahlten. Trotz ihrer Selbstsicherheit und Haltung war Christine auf der Suche nach Stabilität. Sie hatte es ihm gestanden, und es war etwas, das er ihr bieten konnte, neben vielem anderen. Ihm fiel die Jugend einiger Menschen auf, an denen er vorbeiging. Er war in der Mitte seines Lebens und stand doch erst am Anfang.
Am Wochenende regnete es. Sie blieben zu Hause. Sie lagen auf dem Bett, um sie die Ruhe des Nachmittags, der Regen hing wie Nebel vor dem Fenster. Sie sah sich etwas im Fernsehen an, einen alten Film, italienisch, allem Anschein nach, und er las Verga, die Sizilianischen Novellen . Eine Frau in einem tief ausgeschnittenen Kleid saß am Tisch und polierte sich die Nägel, während zwei Männer sich unterhielten. Der Film war in Schwarz-Weiß, weiße Hemden, italienische Gesichter, dunkles Haar. Die Untertitel waren teilweise ausgefranst, aber Christine achtete kaum auf sie. Während Bowman las, glitt ihre Hand unter seinen Mantel und hielt seinen Schwanz, fast gedankenverloren, als er größer wurde, strich sie sanft mit dem Daumen darum. Der Ton war leise gestellt. Er konnte sich schlucken hören. Aus dem Augenwinkel sah er Christines weiche Wange. Sie sah zufrieden den Film. Sein Glied war hart und glatt wie eine Narbe. Am Ufer eines Sees kämpfte eine Frau in einem schwarzen Slip mit einem Mann. Es gelang ihr, sich loszureißen, sie rannte los, doch dann gab sie aus irgendeinem Grund auf und erwartete ihr Schicksal. In der Nahaufnahme wirkte ihr Gesicht duldsam und voller Verachtung.
Er hatte aufgehört zu lesen, die Worte ergaben keinen Sinn. Der Film lief weiter. Die Frau war kurz davor, getötet zu werden. Er würde niemals ihr tränengestreiftes Gesicht vergessen oder ihre bloßen Arme, mit denen sie ihren Mörder empfing. Er fühlte eine kaum mehr erträgliche Lust. Der Film ging immer weiter. Manchmal wurde Christines Griff etwas fester, als wollte sie ihn erinnern. Schließlich lief der Abspann.
Er durfte tun, was er wollte. So war es noch nie gewesen, nicht mit Vivian, ganz gewiss nicht mit Vivian, nicht mit Enid. Sie war von der Taille abwärts nackt, und er drehte sie auf den Bauch und nahm das Buch wieder auf und begann zu lesen, eine besitzergreifende Hand auf ihren Hintern gelegt. Sie hatte das Gesicht abgewandt und bewegte sich nicht. Sie waren nicht gleichberechtigt, nicht jetzt. Sein ganzes Leben schien wie eine Vorbereitung auf diesen Moment. Nach einer Weile fingen sie an. Die Stadt lag still. Er rieb sein Geschlecht entlang ihrer aufgerichteten Scheide. Schließlich drang er in sie ein. Es folgte ein langer Akt, während dem er alles um sich vergaß. Weder sahen sie noch hörten sie den Regen.
Danach lagen sie wie Opfer mit dem Gesicht nach oben, unfähig sich zu bewegen.
»Es gibt nichts, was dem gleichkommt. Ich kann mir einfach nichts vorstellen, das so … extrem sein könnte«, sagte er.
»Heroin«, murmelte Christine.
»Hast du schon mal Heroin genommen?«
»Viermal so gut wie Sex. Glaub mir. Der Rausch ist mit nichts zu vergleichen.«
»Du hast es also schon mal genommen.«
»Nein, aber ich weiß es.«
»Ich möchte nicht einfach nur ein netter Mann sein.«
»Du bist kein netter Mann. Du bist ein richtiger Mann. Das weißt du aber auch«, sagte sie. »An dem Abend im Taxi hab ich es schon gewusst.«
Alles, was er je sein wollte, bot sie ihm an. Sie war ihm als Segen geschenkt worden, als Beweis Gottes. Er war nie wirklich entlohnt worden, nie wirklich in der einen wahren Münze entlohnt. Sie
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