Alles Wurst
lassen. Gruß L. Schadewaldt.
Im ersten Moment schreckte ich zurück, als hätte eine Briefbombe getickt. Vorsichtig wagte ich mich heran, schnüffelte aber nichts Auffälliges. Was hatte der Kerl mit der Katze angestellt, dass sie nicht stank? Und was, zum Teufel, sollte ich mit ihr anfangen? Für einen kurzen Augenblick spielte ich mit dem Gedanken, das Päckchen vor die Wohnungstür meiner Nachbarin zu legen, einer älteren Dame, die auf Post von ihrer Tochter aus den USA wartete. Dann hob ich das Ding auf, hielt es so weit wie möglich von mir weg und trug es hinunter in die Mülltonne.
27
Der nächste Tag begann sonnig und vielversprechend, wie Brötchen vom SB-Bäcker, die knackig und frisch aussahen, als seien sie von Hand nach einem altbewährten westfälischen Rezept gebacken. Sobald man sie aber berührte, zerfielen sie zu Staub und erinnerten an ägyptische Mumien, deren Ruhe britische Gelehrte Anfang des letzten Jahrhunderts gestört hatten.
Es war der Tag, an dem das Essen mit Laura stattfinden würde. Ich bemühte mich, wohlgelaunt und voller Vorfreude zu sein, obwohl der Katzenleichnam mir den Schlaf vermiest hatte. Nachts hatte es unten in der Mülltonne miaut, dann war die Miezekatze ihrem Grab entstiegen und hatte sich wie eine der lebenden Leichen Edgar Allan Poes Stufe für Stufe die Treppe hinauf zu mir in die Wohnung geschleppt. Sie hatte mich des mutwilligen Mordes in Tateinheit mit Fahrerflucht angeklagt, und ich hatte eingewandt, wie man denn zum Teufel Fahrerflucht begehen könne, wenn der Wagen nicht anspringt. Das Vieh hatte das aber nicht gelten lassen und mir stattdessen prophezeit, dass eine solche Tat niemals ungesühnt bleiben würde.
Ich wusste genau, wovon sie sprach. Und ich zweifelte auch nicht einen Moment, dass aus diesem toten Tier, das längst steif wie ein Brett war, jemand ganz anderer sprach: ein mieser, rattengesichtiger Schnüffler namens Mirko Bölling, der mir eigentlich gar nicht so sehr die letzte Nacht, sondern vor allem die nächste vermiesen wollte.
Glücklicherweise war mir inzwischen eine Idee gekommen, wie ich mich davor schützen konnte. Zugegeben, sie war nicht gerade neu, sondern entstammte den Zeiten des Kalten Krieges, aber sie hatte, wie viele bis heute glaubten, die Welt vor dem atomaren Untergang bewahrt. Sie nannte sich Gleichgewicht des Schreckens.
Um kurz nach zehn stellte ich mein Fahrrad am Albersloher Weg ab und stieg in den Wagen, der mich gestern so schmählich im Stich gelassen hatte. Meine Drohung, ihn gleich hier und jetzt zum nächsten Schrottplatz schleppen zu lassen, fruchtete: Das Auto hustete und keuchte ein paar Sekunden, dann sprang es an. Um elf wurde Bölling in Burgsteinfurt bei den Grünen erwartet, um sein neues Sortiment an Skandalthemen für den Wahlkampf vorzustellen. Falls die Karre nicht wieder den Dienst versagte, würde ich genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Irgendwie würde ich ihn in dem Kaff schon ausfindig machen.
Zunächst aber musste ich die tote Katze aus dem Müll holen.
Soweit ich gelesen hatte, verdankte Burgsteinfurt seine Existenz einem beachtlichen Klumpen Edelmetall, den spielende Kinder gegen Ende des letzten Jahrhunderts auf einer Müllkippe gefunden hatten. Ein wahrer Goldrausch war die Folge gewesen. Glücksritter aus ganz Westfalen und den Niederlanden waren herbeigeströmt und hatten den Traum vom sagenhaften Reichtum geträumt. Viele von ihnen hatten sich in der Folge dort angesiedelt, nachdem sie ihr letztes Geld für Schürfrechte ausgegeben hatten. Allerdings hatten die meisten das gegenseitige Gemetzel nicht überlebt, das eingesetzt hatte, sobald sich herausstellte, dass der Goldklumpen eine dreiste Fälschung war und die Region allenfalls dazu gut, um Kies abzubauen. Heutzutage galt Burgsteinfurt als Hochburg eines sanften Tourismus, der sich der Aufwertung reizarmer und gleichförmiger Reiseregionen gewidmet hatte und es ablehnte, die Umwelt mit Sehenswürdigkeiten zu verschandeln.
Laut Ankündigung im Internet trafen sich die Grünen in einer Gaststätte namens Marktschänke. Sie befand sich mitten in der Fußgängerzone und bot keinerlei Parkmöglichkeit, was die Durchführung meines Plans nicht gerade erleichterte. Glücklicherweise kam mir der Zufall zu Hilfe: Als ich mein Auto auf einem abgelegenen Parkplatz jenseits der Fußgängerzone abstellte, um den restlichen Weg zur Marktschänke zu laufen, bemerkte ich Böllings weißen Cooper nur wenige Meter
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