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Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Alles zerfällt: Roman (German Edition)

Titel: Alles zerfällt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chinua Achebe
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geheiligten Namen glauben. Die Heiden behaupten, ihr würdet sterben, wenn ihr dieses oder jenes tut, und ihr fürchtet euch. Sie haben auch behauptet, ich würde sterben, wenn ich meine Kirche auf diesem Grund errichtete. Bin ich tot? Sie haben behauptet, ich würde sterben, wenn ich mich um Zwillinge kümmerte. Ich lebe noch. Die Heiden sagen nichts als die Unwahrheit. Wahr ist allein das Wort Gottes.«
    Die beiden Ausgestoßenen schoren sich die Köpfe, und bald gehörten sie zu den glühendsten Verfechtern des neuen Glaubens. Mehr noch, fast alle osu Mbantas folgten ihrem Beispiel. Und ein osu war es dann auch, dessen Eifer die Kirche ein Jahr später in ernsten Streit mit dem Klan brachte, indem er den heiligen Python erschlug, Verkörperung der Gottheit des Wassers.
    Der Königspython war das am höchsten verehrte Tier Mbantas und aller umliegenden Klans. Man sprach ihn als »Unser Vater« an und ließ ihn ziehen, wohin er auch wollte, sogar in die Betten. Er fraß im Haus Ratten, gelegentlich auch mal ein Hühnerei. Tötete ein Mann des Klans versehentlich einen Königspython, hatte er Bußopfer darzubringen und eine üppige Bestattungszeremonie wie für einen Großen des Klans auszurichten. Für die willentliche Tötung des Python war keine Strafe bekannt. Niemand hätte sich träumen lassen, dass es dazu kommen könnte.
    Möglicherweise war es dazu auch gar nicht gekommen. Zunächst zog der Klan vor, es so aufzufassen. Niemand hatte den Mann die Tat vollbringen sehen. Die Geschichte kursierte zunächst unter den Christen selbst.
    Dennoch versammelten sich die Führer und Ältesten Mbantas, um das weitere Vorgehen zu beraten. Manche sprachen sehr lange und voller Zorn. Sie waren in kriegerischer Stimmung. Okonkwo, der begonnen hatte, an den Angelegenheiten seines Mutterlands Anteil zu nehmen, meinte, ehe die schändliche Meute mit Peitschen aus dem Dorf vertrieben würde, werde es keinen Frieden geben.
    Doch es gab viele, die es anders sahen, und am Ende setzte sich ihr Ratschluss durch.
    »Es ist bei uns nicht Sitte, für unsere Götter zu streiten«, sagte einer von ihnen. »Lasst uns jetzt nicht damit anfangen. Wenn ein Mann den heiligen Python im Verborgenen seiner Hütte tötet, ist das eine Sache zwischen ihm und der Gottheit. Wir haben es nicht gesehen. Wenn wir uns aber zwischen die Gottheit und ihr Opfer stellen, treffen uns die Hiebe, die für den Frevler gedacht waren. Lästert jemand die Götter, was machen wir da? Gehen wir hin, ihm das Maul zu stopfen? Nein. Wir stecken die Finger in die Ohren, dass wir es nicht hören. So ist es weise.«
    »Lasst uns nicht wie Feiglinge reden«, entgegnete Okonkwo. »Wenn ein Mann in meine Hütte kommt und sich auf der Erde erleichtert, was mache ich da? Schließe ich die Augen? Nein! Ich ergreife einen Stock und breche ihm den Schädel. So hält es ein Mann. Diese Leute ergießen täglich ihren Schmutz über uns, und Okeke rät uns so zu tun, als sähen wir es nicht.« Okonkwo schnob verächtlich. Was für ein weibischer Klan, dachte er. In seinem Vaterland Umuofia wäre so etwas undenkbar.
    »Okonkwo spricht die Wahrheit«, sagte ein anderer. »Wir sollten etwas unternehmen. Ächten wir also diese Männer. Dann sind wir für ihre Frevel nicht verantwortlich.«
    Alle Anwesenden hatten etwas zu sagen, und am Ende beschloss man, die Christen zu ächten. Okonkwo mahlte grimmig mit den Zähnen.

    Am Abend ging ein Glockenträger kreuz und quer durch Mbanta und verkündete, die Gefolgsleute des neuen Glaubens seien fortan vom Leben und von den Vorrechten des Klans ausgeschlossen.
    Die Reihen der Christen waren angeschwollen, sie bildeten inzwischen eine eigene kleine, selbstbewusste und zuversichtliche Gemeinde von Männern, Frauen und Kindern. Mr Brown, der weiße Missionar, stattete ihnen regelmäßig Besuche ab. »Wenn ich bedenke, dass es erst achtzehn Monate her ist, dass die erste Saat zwischen euch gesät wurde«, sagte er, »staune ich über Gottes Werk.«
    Es war der Mittwoch der Heiligen Woche, und Mr Kiaga hatte die Frauen gebeten, roten Lehm und weiße Kreide zu bringen und auch Wasser, um die Kirche für das Osterfest herauszuputzen, also bildeten die Frauen zu diesen Zweck drei Gruppen. Sie brachen früh am Morgen auf, einige mit ihren Wasserkrügen zum Fluss, andere mit Hacken und Körben zu den Lehmgruben des Dorfs, und wieder andere zum Kalkbruch.
    Mr Kiaga betete in der Kirche, als er aufgeregte Frauen schnattern hörte. Er kürzte sein Gebet

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