Alles zerfällt: Roman (German Edition)
ab und trat hinaus, um zu sehen, was los war. Die Frauen standen mit leeren Wasserkrügen vor der Kirche. Sie sagten, einige junge Männer hätten sie mit Peitschen vom Fluss vertrieben. Bald darauf trafen die Frauen, die den roten Lehm hatten holen wollen, mit leeren Körben ein. Einige waren schlimm gepeitscht worden. Die Kalkfrauen kamen mit einer ähnlichen Geschichte.
»Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte Mr Kiaga verwirrt.
»Das Dorf hat uns geächtet«, erklärte eine der Frauen. »Der Glockenträger hat es gestern Abend verkündet. Doch ist es bei uns nicht Sitte, jemandem den Zugang zum Fluss oder zum Kalkbruch zu verwehren.«
Eine andere Frau meinte: » Sie wollen uns ins Verderben stürzen. Sie werden uns verbieten, zum Markt zu gehen. Das haben sie gesagt.«
Mr Kiaga wollte schon jemanden ins Dorf nach seinen männlichen Bekehrten schicken, als er sie aus freien Stücken kommen sah. Natürlich hatten sie alle den Glockenträger gehört, doch noch nie im Leben hatten sie gehört, dass man den Frauen den Zugang zum Fluss verwehrte.
»Kommt«, sagten sie zu den Frauen. »Wir begleiten euch und stellen uns diesen Feiglingen.« Einige trugen schwere Stöcke oder sogar Buschmesser.
Doch Mr Kiaga hielt sie zurück. Zunächst wollte er wissen, weshalb man sie geächtet habe.
»Sie behaupten, Okoli habe den heiligen Python erschlagen«, sagte einer der Männer.
»Das stimmt nicht«, warf ein anderer ein. »Mir gegenüber hat Okoli selbst beteuert, dass daran kein Wort wahr ist.«
Okoli war nicht da, um die Frage zu klären. Er war in der Nacht schwer erkrankt. Ehe der Tag um war, war er tot. Sein Tod bewies, dass die Götter durchaus noch imstande waren, ihre eigenen Schlachten zu schlagen. Der Klan sah keinen Grund mehr, die Christen zu behelligen.
Neunzehntes Kapitel
Die letzten ergiebigen Regen des Jahres fielen. Es war die Zeit, da der rote Lehm, mit dem man die Mauern baute, getreten wurde. Eher ging es nicht, dann waren die Regen zu schwer und schwemmten die fertigen Lehmhaufen fort, später ging es ebenso wenig, weil dann die Ernte begann, und auf diese folgte sogleich die Trockenzeit.
Es sollte Okonkwos letzte Ernte in Mbanta sein. Die sieben vergeudeten und ermüdenden Jahre schleppten sich endlich der Neige zu. Obwohl er im Mutterland ein gutes Fortkommen gehabt hatte, wusste Okonkwo, dass er in Umuofia noch mehr erreicht hätte, im Land seiner Väter, wo Männer kühn und kriegerisch waren. In sieben Jahren hätte er dort das Höchstmögliche erreicht. Und so bedauerte er jeden Tag seiner Verbannung. Die Verwandten seiner Mutter waren sehr gut zu ihm gewesen, und er war ihnen dankbar. Doch das änderte nichts an den Tatsachen. Aus Höflichkeit den Verwandten seiner Mutter gegenüber hatte er das erste seiner in der Verbannung geborenen Kinder Nneka genannt – Mutter ist das Höchste. Doch als ihm zwei Jahre darauf ein Sohn geboren wurde, nannte er diesen Nwofia – in der Wildnis gezeugt.
Sobald sein letztes Verbannungsjahr angebrochen war, schickte Okonkwo Obierika Geld, damit dieser ihm zwei Hütten auf dem alten Hofgelände bauen ließe, in denen er mit seiner Familie unterkommen konnte, bis er selbst weitere Hütten und die äußere Mauer errichtet hatte. Er konnte nicht einen anderen bitten, ihm sein obi zu bauen, auch nicht die äußere Hofumfriedung. Diese Dinge baute ein Mann selbst, oder er erbte sie von seinem Vater.
Als die letzten ergiebigen Regen einsetzten, sandte Obierika Nachricht, dass die beiden Hütten ständen, und Okonkwo begann, sich auf die Rückkehr vorzubereiten, sobald der Regen aufhörte. Er wäre gern eher zurückgekehrt, um seinen Hof noch in diesem Jahr vor dem Ende der Regenzeit herzurichten, aber damit hätte er der vollen Strafe von sieben Jahren etwas genommen. Und das durfte nicht sein. Also fieberte er voll Ungeduld der Trockenzeit entgegen.
Sie ließ auf sich warten. Der Regen wurde immer leichter, bis er in schiefen Strichen fiel. Manchmal brach die Sonne durch, und es kam leichter Wind auf. Es war ein munterer, ein luftiger Regen. Der Regenbogen zeigte sich, manchmal sogar zwei Regenbogen, wie Mutter und Tochter, der eine jung und schön, der andere alt und nur noch ein Schatten. Diesen Regenbogen nannte man Python des Himmels.
Okonkwo rief seine drei Frauen zu sich und befahl ihnen, ein großes Fest vorzubereiten. »Ich muss den Verwandten meiner Mutter danken, ehe ich gehe«, sagte er.
Ekwefi hatte noch Kassaven aus dem Vorjahr auf den
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