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Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Titel: Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Gorbatschow
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vorbereiteten Text vom Blatt ab. Es galt als unanständig, danach noch etwas diskutieren zu wollen, und so folgte die Formel: »Sich der Meinung von Leonid Iljitsch anschließen … Muss angenommen werden …« Breschnew fügte manchmal selbst hinzu, dieses oder jenes Moment sei bei dem Projekt zu kurz gekommen, dieser oder jener Akzent müsse stärker betont werden. Alle stimmten erfreut einträchtig zu, und damit hatte es sich.
    Eine Ausnahme, was Länge und Aktivität der Debatten anging, bildeten die Politbürositzungen, bei denen der Jahresplan und der Haushalt besprochen wurden, denn sie betrafen die Interessen aller, die für eine Wirtschaftsbranche oder Region zuständig waren. In diesen Fällen begann die Sitzung gewöhnlich mit einem Auftritt des Generalsekretärs. Er las seinen Text vom Blatt ab und eröffnete dann die Debatte.
    Der Wortlaut der Rednerbeiträge war immer gleich. Schtscherbizkij plädierte für die Aufstockung der Geldmittel für das Donezbecken, denn: »Metallurgie und Kohlengruben dieser Region legen sonst nicht nur die Energieversorgung dieser Republik, sondern des ganzen Landes lahm.« Kunajew äußerte seine Sorge ob des Zustands des Neulandgebiets und der Entwicklung des Energiewirtschaftsbauvorhabens in Ekibastus und bat um eine Erhöhung der Subventionen. Grischin sagte wie immer etwas Diffuses, Aalglattes und bat desgleichen, der Hauptstadt mehr Geld zu bewilligen. Genauso ein Dauerbrenner war Raschidows Thema: die zu einseitige Entwicklung der asiatischen Region, Beschäftigungsmangel, Ausbau der Arbeitsplätze und das ewige Bewässerungsproblem.
    Obwohl alle diese Probleme wichtig und schwierig waren, kam es zu keinerlei Diskussion, Meinungsaustausch oder Streit. Ich kann mich an keinen einzigen Fall erinnern, bei dem ein Entwurf für den Plan oder Haushalt gekippt oder zur weiteren Prüfung zurückverwiesen worden wäre. Es war reiner Selbstbetrug.
    Am Ende wurden zwei Dutzend ständige und aktuelle Kommissionen gebildet, die die Beschlussvorlagen ausarbeiteten, und das Politbüro segnete sie ab – eine China-, eine Polen-, eine Afghanistan-Kommission nebst ein paar Kommissionen zu anderen innen- und außenpolitischen Problemen. Sie alle tagten ausnahmslos im ZK und nie woanders, damit Tschernenko sie beaufsichtigen konnte. Im Grunde genommen ersetzten diese Kommissionen sowohl das Politbüro als auch das Sekretariat. Mit der Zeit wurden die Politbürositzungen immer mehr zu einer reinen Formsache.
    Dabei war das eine Zeit, da man viele negative Prozesse im Land hätte stoppen und eine Reform der Gesellschaft einleiten können. Nichts dergleichen! Die Zeit wurde vertan. In der ganzen Welt vollzogen sich unter dem Einfluss der wissenschaftlich-technischen Revolution einschneidende Wandlungen im Bereich von Produktion, Kommunikation und Alltag, die zu radikalen Änderungen in der Gesellschaft führten. In schmerzhaften Prozessen passten sich die anderen Länder den Herausforderungen der Zeit an, während sich unser System, das sich doch angeblich auf eine »progressive Theorie«, einen Plan, systematisches Herangehen und wissenschaftliche Lenkungsmethoden stützte, gegen alle Neuerungen abschottete und sich dem allgemeinen Trend der Zivilisation entgegenstemmte.
    Breschnews Tod
    Breschnew starb überraschend. Das mag merkwürdig klingen, denn durch das Fernsehen war das ganze Land auf dem Laufenden über seinen Gesundheitszustand.
    Am 7 . November 1982 , dem Jahrestag der Oktoberrevolution, nahm er in seiner Eigenschaft als Generalsekretär des ZK der KPDSU , Vorsitzender des Obersten Sowjets der UDSSR , Oberster Befehlshaber und Vorsitzender des Verteidigungsrats die Militärparade ab. Danach fand ein feierlicher Empfang statt, bei dem er seine Begrüßungsrede hielt. Alles war wie immer.
    Am 10 . November empfing ich eine Delegation aus der Slowakei. Ein lebhaftes Gespräch war im Gang, als ich plötzlich aus dem Sekretariat die Aufforderung erhielt: »Andropow bittet Sie dringend zu sich. Er weiß, dass Sie mit der Delegation zu tun haben, bittet Sie aber, sich zu entschuldigen, eine Pause einzulegen und sofort zu ihm zu kommen.«
    Als ich sein Büro betrat, wirkte Andropow äußerlich recht ruhig. Und doch versteckte sich dahinter eine ungeheure innere Anspannung. Mit gefasster Stimme erzählte er, Viktoria Petrowna, Breschnews Frau, habe gebeten, ihm umgehend den Tod von Leonid Iljitsch zu melden und ihm mitzuteilen, er werde in der Datscha in Saretschje erwartet. Sie

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