Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)
Zentrum in die neuen Wohnviertel, wo Stawropol über die alten Waldgrenzen hinausgewachsen war. Dann fuhren wir zum Russischen Wald, wo unsere Füße alles in- und auswendig kannten. Raissa teilte meine Leidenschaft für die Natur. In schwierigen Momenten des Lebens ist die Natur mir immer zu Hilfe gekommen. Immer spürte ich, wie meine Unruhe, Gereiztheit und Nervosität sich durch sie allmählich auflösten und sich ein seelisches Gleichgewicht bei mir einstellte. Die Natur war für mich nie einfach Umwelt oder Lebensmilieu – ich hatte immer eine innere unbewusste Verbindung mit der Natur und kann klar sagen: Nicht nur die Menschen und die Gesellschaft haben mich geprägt, sondern auch sie, die Natur.
Als mir die Teilnehmer des Weltforums 1992 antrugen, mit der Gründung auch die Präsidentschaft des Internationalen Grünen Kreuzes zu übernehmen, dachte ich nicht lange nach – ein innerer Drang trieb mich – und sagte zu. Das Forum fand in Rio de Janeiro parallel zum Gipfel der Staats- und Regierungsoberhäupter statt, die sich zur UNO -Umweltkonferenz versammelt hatten. Seit 1993 beschäftige ich mich mit globalen ökologischen Problemen, und diese Tätigkeit hat mir nicht weniger Freude gemacht als meine höchsten Ämter und Verpflichtungen. Was kann wichtiger und besser sein, als sich im Interesse der gegenwärtigen und zukünftigen Generationen dem Schutz der Natur zu widmen?
Mein ökologisches Credo habe ich in dem Buch
Mein Manifest
dargelegt. Es ist inzwischen in mehreren Sprachen erschienen. Mit den Jahren habe ich meine Verpflichtungen beim Internationalen Grünen Kreuz reduzieren müssen, aber entschieden weniger, als mir lieb war. In der Satzung gibt es einen Punkt, der meine Verbindung mit dieser Organisation zementiert. Gründungspräsident des Internationalen Grünen Kreuzes bin ich lebenslang.
7 . Kapitel
Kampf ums Überleben
Immer wieder komme ich auf die letzten Tage von Raissas Leben zurück und zu den Qualen, die sie hat ertragen müssen. Was hätte ich noch tun oder unterlassen können, um dieses Unglück abzuwenden? Ich weiß es nicht, weiß es nicht … Zwei Tage vor der geplanten Stammzellentransplantation starb sie. Raissa, die sich den Kummer der Menschen mit diesem Leid, besonders der Kinder mit Krebserkrankungen, so zu Herzen genommen hatte und ihnen ihr Mitgefühl und ihre Hilfe nicht versagen konnte, wurde selbst ein Opfer des Krebses.
Alles entwickelte sich, als es begonnen hatte, im Eiltempo, blitzschnell. Im Mai 1999 kehrten wir aus Australien zurück. Die Reise war anstrengend, aber sehr interessant. Wir waren sehr zufrieden, dass wir sie hatten machen können. Die Regierung und Ökologen Australiens hatten mich wiederholt eingeladen, ich hatte mehrmals abgesagt. Meine Position und Meinung waren ins Wanken gekommen, als ich von den Ergebnissen einer Umfrage unter den Bürgern Australiens hörte. Auf die Frage, wer für sie der Mensch des 20 . Jahrhunderts sei, antworteten über 75 Prozent: Gorbatschow. Ich war überrascht. Die nächste Einladung nach Australien sah schon so aus, dass ich ganz Australien Rede und Antwort stehen sollte, und ich stimmte zu.
Das Programm unseres Aufenthalts umfasste einen Auftritt im Parlament in Sidney und den Besuch der größten Stadt im Westen Australiens namens Perth. Danach fuhren wir nach Melbourne, wo es jede Menge Treffen und Auftritte gab. Wir brachten überwältigende Eindrücke von der Reise mit. An einem Tag fuhren wir in einen Vorort von Sidney und tauchten in die Eukalyptuswälder ein, jene Wälder, in denen das berühmte niedliche Tierchen, der australische Koalabär, lebt. Die Koalabären gefielen uns vor allem, weil sie ständig beschwipst waren. Das erinnerte uns an unsere Heimat.
Der Rückflug war anstrengend und lang, aber alles endete eigentlich gut. Doch bis heute komme ich nicht von dem Gedanken los, dass damals der Beginn für die Prozesse, die sich bei Raissa entwickelten, gelegt wurde. Noch Anfang des Jahres hatte sie alle Vorsorgeuntersuchungen hinter sich gebracht, es gab keinerlei Anzeichen für ein Unglück. Als wir im Juli über unseren bevorstehenden Urlaub nachdachten, fühlte Raissa sich schlecht. Sie klagte über Kreuzschmerzen. Man nahm an, es sei eine Erkältung oder Ischias. Dann leiteten wir eine gründliche Untersuchung ein, um die Gründe für die Verschlechterung ihres Zustandes zu klären: die Schmerzen nahmen zu, sie konnte sich nur schwer bewegen.
Die Punktierung des Rückenmarks
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