Allmachtsdackel
Er erwarb auf eigene Kosten den Büttner, Ermittlungen illegaler Vermögensvorteile, verinnerlichte die Fallstudien und hoffte, dass jemand den Betrieb anzeigte, damit es nicht so aussah, als führe er seinen persönlichen Rachefeldzug. Die Anzeige kam Ende letzten Jahres.«
»Von wem?«
»Das weiß ich nicht, Lisa. Es spielt auch keine Rolle. Der Bußgeldsachbearbeiter beschloss, für vier Sonntage ein Bußgeld von insgesamt 2000 Euro festzulegen und dazu noch einmal 3000 Euro Gewinnwegnahme, also insgesamt 5000 Euro. Der Landwirtschaftsbetrieb legte dagegen erwartungsgemäß Widerspruch ein, und die Sache ging wieder zum Staatsanwalt.«
Eine Hummel bumste mir gegen die Stirn und summte geschäftig weiter.
»Und wieder war Kromppein damit befasst. Gestern Abend vertrat er vehement die Ansicht, es gelte, einheimische Betriebe und regionale Erzeuger zu unterstützen. Die Bürokratie in Deutschland dürfe unternehmerisches Engagement nicht immer gleich zunichte machen. So die Art. Deshalb befand er, dass es sich bei der Sonntagsöffnung um eine Dauerordnungswidrigkeit handle, die nur einmal bebußt werden könne. Darüber hinaus erkannte er eine Ordnungswidrigkeit von lediglich geringer Bedeutung und errechnete ein Bußgeld von 45 Euro. Gewinn, so Kromppein, könne auch nicht abgeschöpft werden, denn es sei keiner entstanden, da Personalkosten – also der Lohn für die Töchter – so hoch seien, dass nichts übrig bleibe.«
Ich vermisste auf einmal das Geräusch von Cipións Krallenpfoten auf Asphalt und drehte mich um. Der Dackel lag mit hängender Zunge platt auf dem Grasstreifen. Ich kehrte um.
»Und wieder«, fuhr Christoph fort, »war unser Bußgeldsachbearbeiter mit seinem Rechtseifer an der Hechinger Staatsanwaltschaft gescheitert. Er war gefrustet, bekam Streit mit den Kollegen, fühlte sich gemobbt und fing an zu trinken. Zum Glück hat er eine kluge Frau, die ihn überredete, sich für eine Fortbildung zur Vermögensabschöpfung anzumelden, die er auf eigene Kosten und in seiner Freizeit besuchte. Und zwar Anfang dieses Jahres mit mir zusammen.«
Vorwurfsvoll blitzte mich das Weiße in Cipións haselnussbraunen Augen an.
»Noch einmal stellte er persönlich fest, dass der Landwirtschaftsbetrieb den Laden am Sonntag geöffnet hatte und der Verkauf mehr denn je brummte. Und jetzt kommt’s: Finanzermittler fanden bei einer Buchprüfung sonntägliche Umsätze von durchschnittlich 2000 Euro.«
Ich schob die Hand unter Cipións hechelnden Brustkorb, hob den Hund hoch und klemmte ihn mir unter den Arm.
»Verstöße gegen das Ladenschlussgesetz verjähren zwar nach drei Jahren, aber für die zurückliegenden drei Jahre konnte der Bußgeldsachbearbeiter folglich einen Verfall von 250000 Euro errechnen.«
»Sauber!«
»Die Sache kam erneut zum Staatsanwalt. Kromppein hob den Verfall auf und legte das übliche angemessene Bußgeld von diesmal immerhin 1500 Euro fest.«
»Der hat Nerven!«
»Er darf das. Bei einem Bußgeldverfahren gibt es, anders als im Strafverfahren, keinen behördlichen Verfolgungszwang. Es ist also auch keine strafbare Strafvereitelung im Amt, wenn der Staatsanwalt oder eine Bußgeldbehörde eine Tat nicht verfolgen, wenn Widerspruch eingelegt wurde. Nur sogenannte sachfremde Überlegungen dürfen dabei keine Rolle spielen. Also Freundschaft oder Verwandtschaftsgrade.«
»Und nun?«
Christoph schnaufte. »Keine Ahnung, Lisa. Weber muss davon Wind bekommen haben. Er ist der Dezernent für Vermögensabschöpfung bei der Staatsanwaltschaft des Landgerichts Stuttgart und muss bei allen Verfallssachen über 100000 Euro eingeschaltet werden. Vielleicht hat der Bußgeldsachbearbeiter ihn informiert.«
»Oder die Cousine selbst hat sich Hilfe suchend an ihn gewandt, den Juristen in der Familie.«
»Oder das.«
12
Durstig nach Schatten wankte ich unter die Blautanne des Zeitentalhofs, die hier nicht hergehörte, und setzte Cipión ab, der sich sofort an den Brunnen stürzte, seinen Bart ins Wasser hängte und schlappte, wobei er sich fast erdrosselte, weil der Rand des Steintrogs zu hoch war für einen mit so kurzen Beinen.
Abgründe!
Hatte Richard mich weggeschickt, damit ich seinen vollständigen moralischen Zusammenbruch im Einflussbereich seiner Sippe nicht mit ansah? Womöglich war er seiner Base Bullwinkle was schuldig, seiner Jagdgefährtin aus dunklen Kindertagen, die ihm nachtrug, dass er sie verlassen hatte und nicht Musiker geworden war. Außerdem war Blut allemal
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