Allmachtsdackel
befiel mich.
»Ich möchte dich bitten, nach Hause zu fahren. Ich werde bis zur Beerdigung hierbleiben. Ich beantrage Urlaub. Und du hast doch sicher noch was anderes zu tun.«
»Was sollte ich zu tun haben? Meine Schwabenreportagen, auf die niemand wartet, kann ich überall schreiben.«
Sein Griff wurde fester. »Trotzdem. Sei so lieb, ausnahmsweise! Ich muss das hier alleine … regeln.«
»Richard, du bist im Begriff …!«
»Seht. Sei einmal still. Es ist … ich bin … ich weiß nicht …« Er ächzte. »Wie soll ich das ausdrücken?«
»Ich störe deine Degeneration zum Muttersöhnchen«, schlug ich vor.
»Hör auf. Es ist schwierig genug, auch ohne dein Supervising.«
Ich zog ihm meine Hand weg und trat einen Schritt zurück.
»Bitte, Lisa, versteh es doch! Es hat nichts mit dir zu tun!«
»Mit wem dann?«
Er antwortete nicht.
»Mann!«, fluchte ich, was ihm stets unangemessen schmeichelte. »Du schickst mich weg. Ist das die Art, wie ihr euch unsere Hilfe vorstellt? Als sentimentale Adresse im Kopf, an die ihr aus eurem Krieg eure Feldpost schreiben könnt?«
»Ach, lass doch deinen Amazonenfeminismus stecken, Lisa. Ich dachte, das hätten wir hinter uns.«
»Wieso? Was hat sich denn geändert seitdem?«
»Tut mir leid, aber ich sehe mich momentan nicht in der Lage, das mit dir auszudiskutieren.«
»Na schön.« Ich drehte mich auf dem Absatz um und verließ das Zimmer.
Wenn Cipión mir nicht hinterhergedackelt wäre, hätte es mich nur noch bestätigt in meinem Zorn auf das, was immer stärker war als ich. Die Hengstherden, Wolfsrudel und Tennisclubs.
11
Was meinen Grimm noch steigerte, war, dass Richard keinen Gedanken daran verschwendet hatte, wie ich nach Stuttgart kam. Darum, liebe Mädchen, fahrt nie mit einem Mann mit. Er denkt nur an den Hinweg. Ja klar, es fuhren Züge. Der Waagenindustrie sei Dank, war Balingen seit über hundert Jahren ans Eisenbahnnetz angeschlossen, sogar Frommern!
Das Sträßchen von gestern Nacht lenkte meine Schritte unverzüglich hinunter zum Fluss. Dort standen Polizeiautos hinter Absperrbändern. Auch etliches Volk hatte sich versammelt, Sommerferienkinder mit Fahrrädern, herumlungernde Jugend mit Kapuzenshirts und erhobenen Handys, Frauen mit Einkaufstauschen und Untätige. Keiner sprach. Mitten in die Stille rasselte mein Handy. Ich schaute aufs Display. Es war Richard. Ich drückte ihn weg und stellte den Rufton auf Rütteln.
Aber ein Mann, der zwischen Uniformierten und Zivilen am Polizeikastenwagen stand, drehte sich um. »Ja, hallo!«, rief er, warf den Arm hoch und kam zur Absperrung. Er trug ein quer gestreiftes T-Shirt und Sommerjeans, was seine schwammigen Massen betonte. »Frau Nerz. So schnell sieht man sich wieder.«
»Herr Staatsanwalt Kromppein!«, fiel mir gerade noch rechtzeitig ein.
Er reichte mir eine feuchte Hand übers Absperrband. »Und die Presse ist wieder mal schneller, als die Polizei erlaubt. Wie geht es Herrn Dr. Weber?«
»Bei einem Todesfall gibt es immer viel zu regeln«, antwortete ich, während eine Nebenstelle in meinem Hirn sich fragte, wo ich den Satz »So schnell sieht man sich wieder« erst vor kurzem gehört hatte. Er hatte ebenso unpassend geklungen wie Kromppeins Versuch, in die Presse zu kommen.
»Schade, dass Sie gestern nicht bleiben konnten. Wirklich exzellent das Essen bei Vincent Klink. Der versteht’s! Ganz vorzüglich, der Hummer.«
Ja, Kromppein war so einer, der bei teuer immer nur auf Hummer kam.
»Und ich hätte mich wirklich gerne ein bissle ausführlicher mit Ihnen unterhalten. Sie sollen ja ein interessantes Leben führen.« Mit seinen blassen Augen blickte er mich an wie ein Mann, der meinte, ich gehörte nur einmal ordentlich durchgefickt, und zwar von ihm, damit ich erkannte, wie schön es war, Röcke zu tragen. »Aber nun ja, ein andermal. Richten Sie doch bitte Herrn Dr. Weber noch einmal mein aufrichtiges Beileid aus.«
Ich nickte artig und blickte den Hang hinab, wo die weiß Gekleideten von der Kriminaltechnik im Flussbett hockten.
»Ja, eine scheußliche Sache«, nahm der Hechinger Staatsanwalt meinen Blick auf. »Zweihundert Rinder lassen nicht mehr viel übrig. Dem ersten Anschein nach ein tragischer Unfall. Mehr kann ich Ihnen noch nicht sagen, Frau Nerz. Die Obduktion wird dauern. Rufen Sie mich heute Abend oder morgen an. Denn wie heißt wieder mal der Bereitschaftsstaatsanwalt? Klaus Kromppein!« Er lachte. »Es trifft halt immer dieselben, gell.«
»Wo kommt die
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