Allmachtsdackel
wieder?«, fragte ich.
»Was?«
»Dein Auto.«
»Ich bin am Kinderwagen. Den haben wir bei ebay ersteigert. Aber ein Rad ist schief. Worum geht’s?«
»Wie war es gestern Abend noch mit den Staatsanwälten?«
»Nicht vergnügungssteuerpflichtig.«
»Wer kriegt eigentlich die Tantiemen für dieses Wort?«
»Es ist Kromppeins Lieblingswort. Vor allem für seinen schweren Job in Hechingen.«
»Deshalb rufe ich an«, sagte ich. »Du hast mir etwas von einem Fall erzählt, der im Zuständigkeitsbereich des Landgerichtsstands Hechingen Probleme macht. Ich glaube, es ging um eine Viertelmillion.«
»Der Sonntagsladen in Balingen, ja.«
»Wo genau?«
Christoph holte Luft. »In Balingen-Frommern betreibt eine Landwirtin einen Hofverkauf, der …«
»Barbara Binder.«
»Lassen wir die Namen mal außen vor.«
»Geht nicht! Barbara Binder ist Richards Cousine.«
Christoph nahm sich eine Schrecksekunde. »Oh, Scheiße! Aber dann verstehe ich nicht …« Er unterbrach sich.
»Oh doch, du verstehst, Christoph. Du bist immer der Erste, wenn es darum geht, deinem Freund Richard Weber eine Mauschelei vorzuhalten. Und deshalb sei so gut und erzähl mir die Einzelheiten. Damit ich es auch kapiere.«
»Kromppein hat es übrigens nicht kapiert«, seufzte Christoph. »Meisner und ich haben den halben Abend versucht, es ihm zu verklickern. Allerdings wussten wir nicht, dass die betroffene Person Webers Cousine ist.«
»Aber Kromppein muss es gewusst haben.«
»Gesagt hat er nichts. Aber es würde erklären, warum er sich so begriffstutzig stellte. Er will Weber nicht an den Karren fahren, indem er dessen Cousine schröpft.«
»Aber Sonntagsverkauf ist doch nur eine Ordnungswidrigkeit.«
»Auch bei Ordnungswidrigkeiten können die Behörden unrechtmäßig erlangtes Vermögen einziehen. Es soll ja niemand einen Vorteil daraus ziehen, dass er die Gesetze bricht.«
Zwischen meinem Ohr und dem Handy hatte sich ein glitschiger Schweißfilm gebildet. Ich hörte, wie sich Christoph eine Zigarette anzündete.
»Folgendes«, begann er. »Der betroffene Landwirtschaftsbetrieb betreibt seit Jahren einen Hofverkauf. Der fiel den Behörden schon einmal auf, weil man dort eine junge Frau aus dem Ort beschäftigte. Sie wurde abends bar aus der Kasse bezahlt. An Steuern und Sozialabgaben hat man dabei nicht gedacht. Der zuständige Bußgeldsachbearbeiter bei der Gemeinde Balingen hat daraufhin ein Bußgeld von 5000 Euro verhängt. Die Landwirtin legte Widerspruch ein. Die Sache ging zum Staatsanwalt.«
»Kromppein?«
»Der war bereit, jede noch so abenteuerliche Argumentation gelten zu lassen, woraufhin sich das Bußgeld auf wundersame Weise auf 250 Euro verminderte. Der Landwirtschaftsbetrieb akzeptierte und zahlte. Man beschäftigte die Hilfskraft nicht weiter und verkürzte die Öffnungszeiten des Hofverkaufs. Letztes Jahr im Sommer unternahm der zuständige Bußgeldsachbearbeiter mit seiner Familie an einem Sonntag eine Wandertour über den Lochenstein und das Hörnle bis nach Frommern hinab. Dabei fielen ihm ungewöhnlich viele Autos mit auswärtigem Kennzeichen auf, die in die Straße abbogen, die zu dem betreffenden Landwirtschaftsbetrieb führt. Der Bußgeldsachbearbeiter beschloss, einen kurzen Abstecher dorthin zu unternehmen.«
»Kurzer Abstecher ist gut«, bemerkte ich. Die Häuser waren verschwunden, Tannen kletterten die Hänge hinauf, Hummeln baumelten über den Unkräutern der Straßenböschung. »Woher weißt du das?«
»Er hat es mir erzählt, als wir uns auf meiner Fortbildung zur Vermögensabschöpfung trafen. Auf dem Hof angelangt, stellte er fest, dass der Laden geöffnet war. Und es wurde keineswegs nur Milch und Fleisch aus eigener Erzeugung angeboten, wofür man zur Not Ausnahmegenehmigungen hätte finden können. Es handelte sich vielmehr um ein regelrechtes Biomarktangebot, von Müsli bis zu Obst und Gemüse. Auch die Frau des Bußgeldsachbearbeiters hätte gerne Bärlauchnudeln mitgenommen, aber der Bußgeldsachbearbeiter erlaubte nicht einmal seinen Kindern eine Biolimonade. Übrigens bedienten die Töchter der Familie. Der Bußgeldsachbearbeiter war noch ziemlich angefressen von der Schwarzarbeitssache, in der er sich gegen Kromppein nicht hatte durchsetzen können, und witterte seine zweite Chance. Allerdings beträgt das Bußgeld für einen Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz höchstens 500 Euro. Doch unser Sachbearbeiter hatte bereits davon gehört, dass man auch einen Verfall anordnen könne.
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