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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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dicker als Wasser.
    Nein, Richard hatte Kromppein gestern während des privat anmutenden Essens nicht den Rost runtermachen wollen. In der Runde einer Staatsanwältin mit Gleichberechtigungsambitionen, seines alten Feindes Hauptkommissar Weininger und meiner Wenigkeit mit dem ausgefransten Nimbus der Presse hätte das Gespräch um die Frage kreisen sollen, ob man im Fall dieses Sonntagsverkaufs wirklich alle juristischen Register ziehen musste, die doch eigentlich dafür gedacht waren, Drogendealern, Gebäudereinigern und anderem Gesocks das Absahnen schwerer zu machen. Irgendwann hätte Richard offenbart, dass es seine Cousine war, um die es ging. Wäre der Abend in der Wielandshöhe nach Plan verlaufen, dann hätte Richard sich beim Kaffee im Glanz eines Mannes zurücklehnen können, der sich widerstrebend von unabhängigen Juristen im Angesicht der Presse hatte überzeugen lassen, dass es einem Verfolgungswahn geglichen hätte, sein Bäsle mit der ganzen Härte des Gesetzes zu überziehen. Wir hätten alles daran gesetzt, ihm klarzumachen, dass er Barbaras Vergehen nur deshalb als Todsünde behandeln zu müssen gemeint habe, weil er selbst nicht in Verdacht geraten wollte, seine Verwandtschaft zu schützen. So hätten wir ihm seine Cousine gerettet und ihn selbst vor Gewissensnöten bewahrt. Nichts wider das Gewissen, nichts wider Gott, nichts wider die Liebe des Nächsten.
    Mir trielte der Schweiß zwischen den Brüsten hindurch. Ich wäre gern aus der Haut gefahren, wenigstens aber aus den Klamotten, und beneidete Cipión um die Einfachheit seines Daseins. Auch wenn die Flöhe ihm zusetzten. Aber gegen Flöhe konnte man was tun, zumindest ich. Ich musste ihm dringend ein Flohhalsband besorgen. Aber wie? Und wo? Es blieb doch alles an mir hängen.
    Auf einem Holzstapel hockte eine Katze und blinzelte Friedensangebote in die Gegend. Stille und Idylle. Niemand konnte vernünftigerweise wünschen, dass dieser Hof vernichtet wurde. Aber eine Viertelmillion bezahlte man nicht eben mal aus der Betriebskasse. Sie würden verkaufen müssen. Dann war Schluss mit dem einmaligen Experiment mit einer Herde sekundär verwilderter Rinder.
    Ich zog das Jackett aus, wedelte Luft unter mein Hemd, kühlte mir das Gesicht mit Brunnenwasser und wischte mit den Hemdzipfeln das Gesicht ab.
    Neben der Haustür kühlte knisternd ein Motorrad ab, eine Yamaha, alt, aber gut gepflegt. Auf dem Lenker steckte ein Navigator. In der Küche saßen Jacky, Maxi und ein junger Mann und schwiegen schlagartig. Samanta knurrte dagegen aus ihrem Korb heraus.
    Der junge Mann hatte heuschreckenlange Beine mit dunklen Härchen, die unten in Boots und oben in kurzen Hosen steckten. Andernfalls hätte er wie Jesus ausgesehen mit seinen dunklen Locken und seinem melancholischen Bart. Er erhob sich, reichte mir eine Hand, deren Finger wie eine Trauerweide nach unten hingen, und stellte sich als Victor Binder vor.
    »Und du bist die Lisa! Onkel Richard ist sicherlich froh, dass du ihm beistehst in dieser schweren Stunde. Er hat sehr an seinem Vater gehangen.«
    Ich überlegte, ob ich lachen sollte.
    »Es ist Gott«, sagte er, an einem roten Insektenstich auf seinem Arm herumdrückend, »der durch Jesus das Gericht über den Schuldigen auf sich nimmt. Er stirbt den Tod, den wir verdient haben. Vergebung ist keine unberechenbare Gnadenlaune.«
    Ich warf mein Jackett in die Bank, setzte mich auf meinen Platz von heute Morgen, gleich neben der Tür, und blickte in die Glanzaugen eines unfroh Erleuchteten. Sie waren anders als die seiner Schwestern graublau wie die seiner Mutter.
    »Was hat Martinus Weber eigentlich angestellt«, fragte ich, »dass alle von Schuld und Vergebung reden? Gestern bei der Aussegnung auch schon.«
    »Leider«, sagte Vicky und hypnotisierte mich mit seinem Täuferblick, »konnte ich nicht dabei sein. Ich war auf einer Tagung in München, als mich die Nachricht vom Heimgang unseres Großonkels Martinus erreichte. Ich habe mich heute früh sogleich auf den Weg gemacht.«
    »Nur einer hat nicht von Schuld geredet: sein Sohn. Aber alle andern, einschließlich Pfarrer Frischlin …«
    Über Vickys Gesicht flackerte eine leichte Röte.
    »… haben sich mit der Vergebung abgeplagt wie mit Himbeerkernchen in den Zähnen nach einem Marmeladenbrot.«
    Vicky kratzte seinen Insektenstich.
    »Gehören die Himbeerkernchen zum üblichen sinnentleerten christlichen Pathos«, bohrte ich weiter, »oder verbirgt sich dahinter ein gelebtes Gefühl?«
    Maxi

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