Allmen und der rosa Diamant
versuchte er wieder, Carlos zu erreichen. Diesmal mit Erfolg.
»Carlos, sie haben Sokolow umgebracht.«
Einen Moment lang blieb es still. Dann fragte Carlos: »Wer?«
»Ich glaube, die Engländer. Im Abkühlbecken der Sauna ertränkt. Ich hatte sie kurz zuvor in der Nähe gesehen.«
Erneut ein kurzes Schweigen, bis Carlos sagte: »Also waren sie wieder vor uns da.«
»Nicht ganz, Carlos.« Allmen erzählte ihm von dem Laptop.
»Kommen Sie so schnell wie möglich nach Hause, Don John.«
Kaum hatte er aufgelegt, klingelte das Telefon. Es war die Rezeption. Man bat ihn um Verständnis dafür, dass die Suite zweihundertvierzehn vorläufig nicht bezugsbereit sei. Die Herren von der Polizei hätten dort noch zu tun.
Allmen zeigte volles Verständnis und bat seinerseits um Nachsicht. Er habe seine Pläne geändert und werde die Suite nicht benötigen, auch seine jetzige nicht mehr. Er bat darum, den Flug für den nächsten Tag zu buchen, die Limousine zu bestellen und die Rechnung vorzubereiten.
Danach war er zum Strand gegangen.
Nur wenige Tage waren vergangen, seit er hier neben Sokolow gesessen hatte. »Das ist auch mein Berufsziel«, hatte der gesagt, als Allmen erklärt hatte, er sei Privatier. Und jetzt, kurz bevor er es erreicht hatte, war er tot.
Allmen war melancholisch. Und das Abschiedsgefühl, das ihn jedes Mal befiel, wenn er ein Hotel verließ, machte es noch schlimmer. Die Gewissheit, dass die Räume, die für ein paar Tage sein Heim gewesen waren, bald von anderen Leuten bewohnt würden, führte ihm wieder einmal die Flüchtigkeit des Daseins vor Augen. Es war dieses stetige Kommen und Gehen der Gäste und Saisons, das er an Hotels liebte. Und das ihn beim Abschiednehmen immer wehmütig stimmte.
Das Wetter hatte umgeschlagen. Langgezogene Wolken in den Farben des Meeres - Grau, unterbrochen von Gischtweiß - öffneten da und dort einen Spalt für die Nachmittagssonne. Ein paar Strandkörbe waren besetzt, an der Strandbar hatten sich die ersten Gäste niedergelassen.
2
Hinter angeschwemmtem Tang zerrieselten die Sandburgen vom Vortag im Ostwind zu Ruinen.
Allmen machte einen letzten Strandspaziergang. Die Koffer standen gepackt in seiner Suite, nur sein anthrazitgrauer Reiseanzug hing noch im Schrank. In zwei Stunden erwartete ihn die Limousine.
Am Vorabend war die Stimmung im Speisesaal gedrückt gewesen. Die Gäste standen unter dem Eindruck des tödlichen Unfalls oder fühlten sich aus Gründen der Pietät zu einer gewissen Zurückhaltung verpflichtet.
Allmen war sich an seinem Ecktisch vorgekommen wie ein Witwer, dem die verstohlenen Blicke und das Getuschel der Gäste galten. Vanessa war so weit gegangen, ihm zu kondolieren.
Sie war plötzlich von ihrem Tisch aufgestanden, hatte den Saal durchquert, ihm die Hand gereicht, die andere tröstend auf seine Schulter gelegt und gesagt:
»Mein herzliches Beileid. Es muss schrecklich für Sie sein.«
Allmen hatte sich erhoben und geantwortet: »Ich habe ihn ja kaum gekannt.« Und sich seltsamerweise ein wenig geschämt für diese posthume Distanzierung.
Danach war sie zu ihrem Tisch zurückgegangen. Ihr Mann sagte - seinem Gesichtsausdruck nach - etwas Unfreundliches. Sie legte das Besteck beiseite, er aß stumm weiter.
Allmen hatte nach dem Essen mit dem Barkeeper zwei Wodka auf Sokolow getrunken, danach war er in sein Zimmer gegangen und hatte zu packen begonnen.
Das Hotel war voller Polizeibeamter, die die Gäste befragten. Allmens erster Impuls war gewesen, einen von ihnen anzusprechen und ihm von den Engländern zu erzählen. Aber dann hatte er davon abgesehen. Er wollte nicht unnötig auf sich aufmerksam machen. Wenn man ihn befragte, würde er es erwähnen. Falls nicht, würde er versuchen, unauffällig zu verschwinden.
Er hatte jetzt den Hotelstrand hinter sich gelassen und war im öffentlichen Teil angelangt. Die Strandkörbe waren hier bunt und individualistisch, wie die Häuschen einer Laubenkolonie.
Da sagte eine Stimme hinter ihm: »Herr von Allmen, verzeihen Sie.« Sie klang etwas außer Atem.
Allmen wandte sich um. Die Stimme gehörte einem jungen, etwas übergewichtigen Mann mit kurzgeschorenen blonden Haaren. Er zeigte einen Polizeiausweis und gab ihm die Hand.
»Krille. Wir haben gehört, dass Sie abreisen, und wollten Ihnen noch ein paar Fragen stellen«, erklärte er. »Deswegen störe ich Ihren Strandspaziergang. Wollen wir weitergehen?«
Gemeinsam setzten sie den Spaziergang fort.
»Sie waren mit Herrn
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