Allmen und der rosa Diamant
am selben Tag abgereist.«
»Und von den Amerikanern?«
»Habe ich nichts gesagt.«
Carlos fragte nicht, warum. Stattdessen überraschte er ihn mit der folgenden Neuigkeit: »Die Überweisung von Señor Montgomery ist seit gestern gutgeschrieben.«
Allmen tat, als hätte er nichts anderes erwartet.
»Und er hat eine Nachricht hinterlassen. Sie sollen ihn dringend anrufen.«
Carlos überreichte ihm eine Telefonnotiz mit Montgomerys Nummer und der Zeit des Anrufs. Sie trug nicht die Handschrift von Carlos. Allmen sah ihn fragend an.
»Senorita Moreno. Sie hat den Anruf entgegengenommen.«
»Haben Sie sie jetzt fest angestellt?« Carlos’ Verlegenheit amüsierte Allmen.
»Nein, nein. Aber sie ist sehr tüchtig. Eine große Hilfe.«
»Verstehe.«
Carlos räusperte sich. »Don John?«
» Diga!«
»Wenn Sie mit Montgomery telefonieren, haben Sie dann die Absicht, den Laptop zu erwähnen?«
Allmen schüttelte den Kopf.
»Muy bien, Don John.« Carlos stand auf. »Wenn sonst nichts mehr ansteht, werde ich mich jetzt mit dem Laptop befassen.«
»Ja, bitte, tun Sie das.«
»Können Sie mir bitte >rosa Diamant< auf Russisch schreiben?« Carlos reichte ihm einen Notizzettel. Allmen nahm seine Füllfeder und schrieb die zwei Worte in kyrillischer Schrift. Dann ließ Carlos ihn allein.
Allmen wählte Montgomerys Nummer. Er meldete sich sofort. Allmen informierte ihn über Sokolows Tod. Montgomerys Reaktion war geschäftsmäßig. Er wollte keine Details wissen, erkundigte sich nicht nach den Umständen. Es war, als hätte er lediglich die formelle Bestätigung einer längst bekannten Information erhalten. Allmen fand seinen Verdacht, dass die Engländer Montgomerys Leute waren, somit um ein Weiteres bestätigt.
»Wir sind auf Kurs«, sagte er knapp.
»Können Sie etwas deutlicher werden?« Montgomery klang ärgerlich.
»Nicht am Telefon.«
»Dann persönlich in London. Wann?«
Allmen schlug vor, den morgigen Tag und Ermittlungsstand abzuwarten und auf dieser Basis ein paar Terminvorschläge zu machen. Montgomery war einverstanden und legte auf.
Allmen steckte die Notiz mit der Nummer in die Außentasche seines Sakkos. Dort stieß er auf den pinkfarbenen usb-Stick aus Sokolows Tresor. Er legte ihn in eine der vielen Schubladen seines Schreibsekretärs, setzte sich auf den Klavierhocker und entspannte sich mit etwas Cole Porter.
5
Zur gleichen Zeit saß Carlos in seiner Mansarde am Schreibtischchen vor Sokolows Laptop.
Ein wunderbares Gerät, kein Vergleich zu seiner alten Kiste. Die kleine Maschine steckte voller Software. Das meiste waren Programme, von denen Carlos bisher nur gehört hatte oder die er gar nicht kannte, Spezialtools für Programmierer. Aber es gab auch viel Nützliches - für Carlos Unerschwingliches - für Bildbearbeitung, Design, Textverarbeitung, Musik und so weiter.
Carlos begann, die Festplatte zu durchsuchen.
Der Kalender war leer. Entweder gelöscht oder nie benutzt. Das Adressbuch enthielt hundertzweiunddreißig Adressen in kyrillischer Schrift.
Carlos ließ das Suchprogramm vergeblich nach dem Begriff »rosa« suchen, in Englisch, Deutsch und Russisch. Auch »Diamant« in den drei Sprachen ergab keine Treffer.
Sokolows Mailordner schienen seit Jahren nicht geleert worden zu sein. Carlos fand Nachrichten bis ins Jahr 2007 zurück. Die meisten in kyrillischer Schrift. Aber es gab auch ein paar deutsche und englische. Englisch hatte Carlos als kleiner Schuhputzer von den Touristen aufgeschnappt, Deutsch hatte er sich, seit er in der Schweiz war, angeeignet. Er hätte also die Nachrichten lesen und verstehen können, wenn sie nicht Fachthemen betroffen hätten. Und das taten die meisten. Sie waren voller Ausdrücke, die für ihn keinen Sinn ergaben.
Auch hier keine Treffer beim Suchbegriff »rosa Diamant« in drei Sprachen.
Es blieb ihm nichts anderes übrig, als Mail für Mail zu öffnen und die deutschen und englischen zu lesen. Allein für die vergangenen acht Monate waren das fast dreitausend erhaltene und gesendete. Die meisten englischen betrafen berufliche Themen, nur selten vermischte Sokolow Geschäftliches und Privates. Eine sehr private Beziehung pflegte er mit einem gewissen Günther, mit dem er sehr anzüglich auf Deutsch korrespondierte. Die einzige Geschäftsverbindung, mit der er auch privat verkehrte, war jemand aus New York namens Paul La Route. Eine der Mails bezog sich auf einen Abend, an dem sie offenbar viel getrunken hatten. Eine andere enthielt
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