Allmen und der rosa Diamant
conditions?«
Über die Konditionen waren sich Allmen und Carlos einig. Die Antwortmail enthielt nur die iban-Nummer des Kontos von Allmen International Inquiries.
Und den Betrag von 2.5 Mio. chf.
22
Allmen wusste zwar schon, wie es war, kein Geld zu haben. Trotzdem hatte er immer gelebt, als hätte er welches. Gezwungen zu sein, so zu leben, als hätte man keines, noch dazu, während man auf Millionen wartete, war für ihn eine ganz neue Erfahrung.
Die Männer, bei denen er wohnte, hatten wirklich kein Geld und lebten auch entsprechend. Sie hatten auch sonst nichts. Keine Papiere, keine Arbeit, keine Zukunft.
Er hätte ihnen gern ein paar Tipps gegeben, wie man die Welt und sich selbst darüber hinwegtäuschen kann, dass man kein Geld hat. Aber er sah bald ein, dass diese Leute nicht so tun konnten, als hätten sie Geld. Sie wussten nicht, wie es ist, Geld zu haben.
Allmen kam zu dem Schluss, dass er seinen Mitbewohnern, sobald die Millionen eingetroffen waren, etwas Geld geben musste. Zu Übungszwecken.
Zweimal erlag Allmen dem Lagerkoller. Er verließ die Wohnung, ohne Carlos zu informieren. Das eine Mal ging er in ein indisches Restaurant in der Nähe, das von außen elegant und von innen schäbig aussah. Er bestellte ein Degustationsmenü. Alle Currys schmeckten gleich, alle lange vorgekocht und schnell aufgewärmt. Trotzdem genoss er die Abwechslung und das Gefühl, jemand zu sein.
Das zweite Mal verschlug es ihn in einen Tearoom des Quartiers. Außer ihm waren nur Lehrlinge da und alte Frauen. Er bestellte eine Schale und ein Croissant und vermisste sein Café Viennois.
Carlos machte keine Bemerkung, wenn Allmen von seinen Ausflügen zurückkam. Aber er ließ ihn spüren, was er von der Disziplinlosigkeit seines Patron hielt.
Die Tage in der kleinen überfüllten Wohnung waren lang. Und da die beiden auf den Laptop starrten wie auf einen Wasserkocher, der nicht kochen wollte, wurden sie noch länger.
Einmal fragte Carlos: »Und wie können sie sicher sein, dass wir nicht eine Kopie zurückbehalten?«
»Sie können nicht sicher sein. Aber sie müssen das Risiko eingehen.«
» Porque?« Weshalb? »Es ist das kleinere.«
» Ojalá. « Hoffentlich.
Am dritten Tag, dem zweitletzten vor Ablauf der Frist, traf eine Mail ein. »Procedure?«, lautete der Text. Und: »Guarantees?«
Sie antworteten: »Vorgehen: Zusendung des usb-Sticks per dhl nach Erhalt der Überweisung. Garantien: Ehrenwort von Johann Friedrich von Allmen.«
Am letzten Tag der Frist pendelte Carlos zwischen Wohnung und Internetcafes und loggte sich fast stündlich in das Konto von Allmen International ein.
Nach Ablauf der Frist war das Geld nicht eingetroffen.
»Und nun?«, fragte Allmen.
Ohne zu zögern, kopierte Carlos ein weiteres großes Stück von Anfang und Schluss der Datei in die Website.
Beim nächsten Kontrollgang kam er mit einer Nachricht der Bank zurück: »Stopp. Transfer unterwegs.«
Weder Allmen noch Carlos schliefen viel in dieser Nacht. Dennoch waren sie beide hellwach, als sie den Kontostand von Allmen International prüften. Er zeigte 2 503114.35 CHF -
»Ich wusste gar nicht«, sagte Allmen fast etwas beleidigt, »dass wir noch über dreitausend auf dem Konto hatten.«
23
Hunderttausend Franken überwies Allmen im Überschwang an Don Gregorio. Zwanzig als Kapital für seine Institution plus zehntausend für jeden Bewohner der Wohnung, damit sie üben konnten, wie es ist, Geld zu haben.
»Sie werden das Geld nach Hause schicken, Don John«, hatte Carlos ihn gewarnt.
Allmen hatte überlegt und geantwortet: »Auch das gibt ihnen ein Gefühl dafür, wie es ist, Geld zu haben.«
Alle waren an den Fenstern versammelt gewesen und hatten den Abgang von Don John und Carlos in Herrn Arnolds 1978 er Cadillac Fleetwood verfolgt. Sie hatten gesehen, wie sich die Scheibe auf Allmens Seite senkte und eine schmale Hand mit weißer Manschette ihnen zuwinkte. Dann waren die drei in ihrer anderen Welt verschwunden.
Epilog
Nach Abzug von Carlos’ Anteil, der Begleichung aller offenen Posten bei seinen Gläubigern und der Bereinigung seiner Konten bei seinen beiden Hausbanken blieb Allmen ein Saldo von etwas über neunhunderttausend Franken.
Einen Teil davon investierte er in die laufenden Ausgaben, die Ergänzung seiner Garderobe, die Anschaffung einiger Objekte für seine während der vergangenen zwei Jahre arg geplünderte Artdeco-Sammlung und zwei Wochen Indian Summer in der Terrace Suite
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