Allmen und die Dahlien (German Edition)
Nebentisch.«
»Ach, Sie haben es gesehen?«
»Nein. Niemand hat es gesehen. Erst danach. Als er nicht mehr reagierte.«
»So still ist er gestorben? Sonst nicht seine Art.«
»Sie haben ihn also doch besser gekannt.«
Teresa Cutress zeigte zur Decke. »Dort oben kannte man ihn am besten.« Sie öffnete eine silberne Dose und fischte eine Zigarette heraus. Allmen stand auf, ging zu ihr und gab ihr Feuer. Sie deutete auf den Sessel neben sich. »Setzen Sie sich hierher. Dann höre ich Sie besser.«
Allmen setzte sich und nahm die Fährte wieder auf, solange sie noch frisch war. »Wie standen Madame Gutbauer und Herr Frey zueinander?«
Sie nahm einen tiefen Zug aus der Kent und hielt die alte Hand mit der Zigarette unter dem jungen Gesicht in der Schwebe. Sie zitterte fast unmerklich. Der rote Nagellack war wie bei Dalia Gutbauer perfekt auf den Lippenstift abgestimmt. »Wie Mann und Frau.«
Als sie Allmens Überraschung sah, fügte sie hinzu: »Einst.«
»Wann?«
»Ach, das ist fast nicht mehr wahr.«
»In den sechziger Jahren?«, riet er.
»Fragen Sie sie selbst. Oder ist es relevant für die Sicherheit des Hotels?« Zum ersten Mal glaubte er, den Anflug eines Lächelns zu entdecken.
»Nein, natürlich nicht. Meine Neugier ist rein romantischer Natur.«
»Soso, Sie sind Romantiker.«
»Sind wir das nicht alle?«
»Ach, wissen Sie, wenn man so viele Jahre gelebt hat…«
»Allzu viele können es nicht sein«, widersprach Allmen charmant und fühlte sich ein bisschen billig.
»Ich spreche von Dalia«, korrigierte sie ihn, »sie ist bald hundert.«
»Natürlich. Kennen Sie sich auch von früher?«
»Wir sind uns begegnet…«, antwortete sie vage. »Möchten Sie mir jetzt Ihre Fragen zur Sicherheit stellen?«
Allmen nahm sich den Fragebogen vor, den er mit Carlos vorbereitet hatte. »Ist Ihnen in der Zeit, in der Sie hier wohnen, schon einmal etwas abhandengekommen?«
»Nein. Mir nicht.«
Er sah auf. »Aber jemand anderem?«
»So hört man.«
»Wem? Was?«
Wieder deutete sie zur Decke.
»Madame Gutbauer? Erzählen Sie.«
»Ein Bild.«
Zum zweiten Mal überraschte sie Allmen. »Ach. Ein wertvolles?«
»Dalia ist eine der reichsten Frauen des Landes. Sie besitzt keine wertlosen Bilder.«
»Wann war das?«
»Jetzt. Vor ein paar Tagen.« Teresa Cutress drückte ihre Zigarette aus. »Dass Sie nichts davon wissen! Als Sicherheitsexperte.«
»Hat man einen Verdacht?«
»Man? Keine Ahnung. Ich schon.«
»Haben Sie ihn der Polizei mitgeteilt?«
»Die Polizei ist nicht involviert.«
»Weshalb nicht?«
Wieder deutete der krumme Zeigefinger nach oben. »Geheim.«
»Und weshalb wissen Sie davon?«
»Geheim.«
Es klopfte. »Um diese Zeit nehme ich einen Drink. Leisten Sie mir Gesellschaft?«
»Vielen Dank. Ich trinke am Nachmittag keinen Alkohol.«
»Außer Champagner.«
Die dritte Überraschung, die ihm Teresa Cutress bereitete. Noch bevor er antworten konnte, sagte sie:
»Wenn man ein Leben geführt hat wie ich, erkennt man eine Champagnerfahne.«
18
Marías Schicht dauerte von sechs bis vierzehn Uhr dreißig mit einer Stunde Mittag. Sie hatte sie so gewählt, weil sie auf diese Weise ihre Nachmittagskundschaft behalten konnte. Um fünfzehn Uhr – nur eine Stunde später als sonst – war sie zur Stelle und absolvierte ihre vier Stunden Putzdienst.
Die acht extra Arbeitsstunden im Schlosshotel waren ja nur ein Job auf Zeit, und die zusätzlichen zweihundert Franken am Tag waren in Kolumbien ein Monatsgehalt und ein willkommener Beitrag zu den tausend Franken, die sie jeden Monat überwies.
Aber jetzt, wo sie zielstrebig durch den fast dunklen Park der Villa Schwarzacker ging, war sie hungrig und hundemüde. Ihr Lieblingskoch, Carlos, hatte ihr bestimmt eines seiner kleinen guatemaltekischen Abendessen bereitgestellt. Wie immer würde er es in der Küche essen wollen, obwohl Señor John nicht zu Hause war.
Das Gärtnerhäuschen lag dunkel da, nur in der Mansarde sah sie Licht. Sie betrat das kleine Vestibül. Es roch nicht nach Essen. »Carlos?«, rief sie.
»¡Aqui!«, antwortete er.
Sie stieg die Treppe hinauf. Die Tür zu seiner Mansarde stand offen, und sie sah ihn an seinem Tisch vor dem Computer sitzen. Das Bett war übersät mit Computerausdrucken.
Er sah kurz auf, lächelte, hob bedauernd die Hände und sagte: » Disculpe, verzeih.«
María seufzte, gab ihm einen Kuss und schob die Ausdrucke ein wenig zusammen, damit sie sich aufs Bett legen und die Füße hochlagern
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