Allmen und die Dahlien (German Edition)
versuchte.«
Das Bild stammte aus einer Folge über spektakuläre Banküberfälle, die Carlos in einem Zeitungsarchiv unter dem Suchbegriff »Leo Taubler« gefunden hatte.
Bergler war ein Bankräuber, der durch seine hervorragenden Manieren auffiel und deshalb »Räuber Knigge« genannt wurde. Er trieb sechs Jahre lang sein Unwesen in verschiedenen größeren Städten des Landes, immer mit der gleichen Methode: Er betrat zu den Hauptgeschäftszeiten unmaskiert und elegant gekleidet die Bank, ließ sich eine große Note wechseln und legte dabei diskret eine SIG P210 auf den Schalter. Er drohte den Schalterbeamten höflich, aber bestimmt, sie ohne Zögern zu erschießen, wenn sie ihm nicht ohne Aufsehen einen Betrag zwischen hundert- und zweihunderttausend Franken aushändigten.
Mit dem Geld verließ er ohne besondere Eile die Bank, mischte sich unter die Passanten und verschwand kurz darauf. Vermutlich im Auto eines Komplizen, wofür es aber keine zuverlässigen Zeugenaussagen gab.
In den späten fünfziger Jahren wurde Kurt Bergler seine Vorliebe für gepflegte Garderobe zum Verhängnis. Ein aufmerksamer Schalterbeamter konnte einen Blick auf das Schneideretikett im Futter erhaschen, als Bergler kurz das Jackett aufhielt, um die Waffe aus dem Halfter zu nehmen.
Danach war es ein Leichtes, »Räuber Knigge« ausfindig zu machen. Er wurde zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt und nahm sich nach weniger als einem Jahr das Leben. Leo Taubler verschwand noch während des Prozesses von der Bildfläche, vermutlich ins Ausland.
Allmen legte den Bericht beiseite und sah Carlos an.
»Las relaciones«, sagte der, schulterzuckend.
»Und was für eine Beziehung hat er zu Dalia Gutbauer?«, wollte Allmen wissen.
Carlos reichte ihm einen Stapel Computerausdrucke, die er bereitgehalten hatte. Das meiste waren Fotos von Dalia Gutbauer mit Leo Taubler bei verschiedenen gesellschaftlichen Anlässen. Aus den Begleittexten ging Folgendes hervor:
Nach einer langen Reihe illustrer und mondäner Begleiter wurde Dalia Gutbauer plötzlich nur noch mit einem gewissen Leo Taubler gesehen.
Für die Klatschpresse war die Liaison ihrer liebsten Skandalnudel mit einem Nobody eine Enttäuschung. Das änderte sich schlagartig, als der Serienbankräuber »Knigge« entlarvt wurde und sich als Kurt Bergler herausstellte. Ein Freund des ständigen Begleiters von Dalia Gutbauer.
Noch interessanter wurde Leo Taubler, als die Journalisten seine Vorstrafen entdeckten. Nichts Größeres, ein paar Finanzdelikte, Unterschlagungen, Betrügereien. Aber genug, um die Tochter eines der größten Industriellen des Landes als Gangsterbraut abzustempeln.
Dalia hielt zu ihm. Sie sprach von Taubler öffentlich als von ihrem Verlobten und erschien weiterhin an seinem Arm zu allen gesellschaftlichen Anlässen von Bedeutung.
Bis zum Victoria-Ball. Bei diesem Höhepunkt der Saison wurde sie in Begleitung von Gert von Tyllern gesehen, einem Berufserben aus der deutschen Schwerindustrie.
Das Interesse an Leo Taubler war bald erloschen. Dalia Gutbauer führte ihr früheres Leben mit wechselnden Begleitern noch ein gutes halbes Jahr fort. Danach verschwand sie von der Bildfläche.
Allmen sah von der Dokumentation auf und nickte anerkennend. »Buen trabajo«, bemerkte er, gute Arbeit. »Und der Zeitpunkt, zu dem Taubler verschwand, stimmt ungefähr mit dem Victoria-Ball überein, nehme ich an.«
Carlos nickte. » Así es, Don John.«
2
Als er aus dem Hotel trat, schneite es tatsächlich. Er hatte im Grillroom gegessen und die Zeit bis halb elf in der Bar zugebracht.
Herr Arnold hatte hinter dem Steuer seines Fleetwood gewartet und öffnete die Tür zum Rücksitz, als Allmens Silhouette vor dem erleuchteten Hoteleingang auftauchte.
Der Schnee war nass und schwer und blieb nicht liegen. Das Rauschen des Samstagsverkehrs klang wie in einer Regennacht.
Herr Arnold fuhr in seiner feierlichen Art ein Stück am See entlang und dann durch das Straßengewirr am Fuß des Villenhügels zu einem der Mehrfamilienhäuser aus den Gründerjahren, in welchem Remo di Gioya eine herrschaftliche Wohnung besaß. Herr Arnold ging zur Tür und klingelte, Allmen wartete im Auto. Er wusste, dass di Gioya ihn nicht heraufbitten würde. Aus einem ähnlichen Grund, wie auch Allmen seine Besucher nicht hereinbat: In den schönsten Räumen von di Gioyas Etage wohnten andere Leute.
Als Remo sich neben ihn setzte, roch Allmen, dass er nicht der Einzige war, der die Zeit bis zur
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