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Allmen und die Dahlien (German Edition)

Allmen und die Dahlien (German Edition)

Titel: Allmen und die Dahlien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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konnte.
    Fast alle Prints zeigten Gesellschaftsfotos aus den fünfziger Jahren. Bälle, Empfänge, Gartenfeste, Premierenfeiern, Pferderennen. Auf fast allen war dieselbe Frau zu sehen, immer elegant, fast immer strahlend. Bei ihr verschiedene Männer, Frauen und Paare. Carlos hatte sie mit Filzstift markiert. Bei der Frau stand immer DG , bei den anderen wechselnde Namen.
    »¿Quién es?«, fragte María Moreno.
    »Madame Gutbauer.«
    Auf einem der Fotos war neben Dalia Gutbauer ein sehr junges Mädchen eingekreist und mit einem Frage- und einem Ausrufezeichen versehen. Die Bildlegende war gehighlighted: »Frau Dalia Gutbauer mit der Debütantin Theres Schneydter beim Zooball.«
    Dalia hatte den Arm um die bloßen Schultern des jungen Mädchens gelegt. Beide strahlten in die Kamera.
    »Und sie?«, fragte María.
    »Der Vorname, Theres. Ähnlich wie Teresa. So heißt ein Dauergast des Hotels. Teresa Cutress.«
    »Die Zweihundertzwölf, ich weiß.«
    Ein anderes der Fotos weckte ihr Interesse. Es zeigte Dalia Gutbauer am Arm eines gutaussehenden Mannes im Smoking. » DG con Leo Taubler«, hatte Carlos dazugeschrieben.
    »Este señor«, sagte María, »sieht aus wie der verstorbene Gast, als er jung war.«
    »Weshalb weißt du, wie er aussah, als er jung war?«
    »Sein Zimmer ist voller Fotos. Auf einigen ist dieser Mann. Aber ich bin mir nicht ganz sicher.«
    »Dann nimm es morgen mit, und vergleiche es.«
    Sie schob die restlichen Dokumente zur Seite. Dabei kam das Schwarzweißfoto eines Gemäldes zum Vorschein. Es zeigte einen Blumenstrauß in einer hellen Vase.
    »Auch davon hängt ein Foto im Zimmer des Toten«, stellte María fest.
    Carlos sah vom Bildschirm auf, um zu sehen, wovon sie sprach. Er sagte: »Es ist das gestohlene Bild.«
    19
    Er schlief noch tief, als es klopfte.
    Allmen drehte sich um und schimpfte leise auf die Unsitte des Housekeepings sämtlicher Hotels dieser Welt, an jede Tür zu klopfen, an der nicht »Bitte nicht stören« hing.
    Er hatte am Vorabend Teresa Cutress doch noch bei ein paar Caipirinhas Gesellschaft geleistet. Sie hatte sich bei aller Überspanntheit als sehr lustige Gesellschafterin entpuppt, die mit jedem Schluck ein wenig selbstironischer wurde.
    Aber es klopfte wieder. Er knipste die Lampe an, nahm seine IWC vom Nachttisch, versuchte, seine Augen auf das schwarze Zifferblatt zu fokussieren. Sieben Uhr. Ungefähr, denn die Uhr ging nicht sehr genau. Er hätte sie längst zu seinem Uhrmacher bringen sollen, aber Allmen war es wichtiger, wie eine Uhr aussah, als wie genau sie ging. Und diese sah gut aus. Er hatte sie von seinem Vater geerbt, einem nicht sehr geschmackssicheren Mann. Dass der dennoch in den letzten zwei Jahren seines Lebens diese schöne IWC Ingenieur getragen hatte, lag daran, dass er sie von seinem Sohn zum Sechzigsten geschenkt bekommen und selber bezahlt hatte.
    Der early morning tea konnte es nicht sein, der war erst auf acht Uhr dreißig bestellt. Allmen löschte das Licht wieder und drehte sich auf die Seite. Nach seiner reichen Hotelerfahrung würde es noch ein drittes Mal klopfen. Wenn er sich dann nicht bemerkbar machte, würde die Tür aufgehen und ein Zimmermädchen scheinheilig »oh, Verzeihung« ausrufen und wieder verschwinden.
    Aber es klopfte nicht mehr. Er hörte das Türschloss, dann Schritte im Salon und eine Stimme, die sagte: » Disculpe, Señor John.«
    Es war María Moreno. Er setzte sich auf und sah sie in der Tür zum Schlafzimmer stehen. »Disculpe la molesta«, sagte sie noch einmal, »Verzeihen Sie die Störung, aber es ist dringend. Ich muss Ihnen etwas zeigen.«
    »Wo?«
    »In der Suite des verstorbenen Gastes. ¡Vengase!, bevor Pita zurückkommt«, drängte sie.
    Allmen stand auf und ging ins Bad. Er wusch sich das Gesicht, putzte die Zähne und kämmte sich. So dringend konnte keine Sache der Welt sein, dass er dafür nicht die Zeit hatte. Vor allem nicht, wenn es am Abend ein wenig spät geworden war.
    Als er aus dem Bad kam, trug er einen seidenen Morgenmantel und einen Schal im Pyjama-Ausschnitt. María Moreno wartete ungeduldig.
    Sie überquerten den Gang und betraten Freys Suite. Als Erstes nahm Allmen einen Geruch wahr, den er kannte. Aber was war es?
    Der übermöblierte Wohnraum musste gemütlich gewesen sein, als er noch bewohnt war. Aber jetzt sah er aus wie ein Filmset nach dem Dreh. Die Möbel, Bilder und Nippes wirkten kalt und seelenlos. Das durch eine hellgraue Hochnebeldecke gefilterte Tageslicht leuchtete den

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