Allmen und die Dahlien (German Edition)
Sache hatte unter »vermischte Meldungen« ein paar Schlagzeilen gemacht und war bald wieder vergessen.
Eine Böe stieß das Fenster auf und fegte die bereits ausgedruckten Seiten der Dokumentation vom Tisch. Carlos schloss das Fenster und sammelte die Blätter auf. In einer halben Stunde würden sie auf dem Tablett neben der Tasse Grüntee liegen, mit dem er Don John aus seiner Siesta zu wecken pflegte.
Er setzte sich wieder vor den Bildschirm und fügte den Betrag in den Standardbrief für Vorschüsse ein. Weil Allmen sich zu vornehm war, mit den Klienten über Vorschuss zu reden, und Carlos schlecht deutsch schrieb, hatte Don John ihm diesen Standardbrief formuliert.
Er setzte den Betrag von zwölftausend Franken ein, druckte den Brief aus, setzte seine kunstvolle Unterschrift unter die Zeile »Spesen und Honorare« und steckte ihn in einen Umschlag, auf dessen Rückseite nur die diskreten Initialen A. I. I. standen, Allmen International Inquiries. Er frankierte ihn und ging die Treppe hinunter, durch das winzige Vestibül und hinaus in den kleinen Park.
Carlos hatte es längst aufgegeben, sich darüber zu ärgern, dass sein Patrón ständig »vergaß«, den Honorarvorschuss einzukassieren. Am Anfang hatte er noch argumentiert, dass der Vorschuss nicht nur die Seriosität des Auftraggebers beweise, sondern auch die des Auftragnehmers. Allmen hatte ihm nie widersprochen. Aber auch nie einen Vorschuss kassiert. »Man könnte meinen, wir brauchen das Geld«, hatte er einmal gesagt.
» Con todo el respeto, Don John«, hatte Carlos geantwortet, »bei allem Respekt, es stimmt: Wir brauchen das Geld.«
»Wer das Geld am meisten braucht, bekommt es am wenigsten«, war jeweils Allmens Antwort.
Der Aprilwind trieb die gelben, roten und orangenen Blütenblätter der frühblühenden Rhododendren auf dem Gartenweg zusammen. Carlos nahm sich vor, sie noch am Nachmittag zusammenzukehren. Bevor der Regen sie auf den Steinplatten festklebte.
Er hatte die Stelle erreicht, wo der Weg in einem rechten Winkel abbog und an der prächtigen Frontfassade entlang zum Haupteingang der Villa Schwarzacker führte. In dem großen Sitzungszimmer waren ein paar Herren am Tisch versammelt und starrten gebannt auf eine Leinwand, auf der Grafiken, Symbole und Zahlen leuchteten.
Zu Allmens Zeiten war das große Sitzungszimmer der eleganteste Raum der Villa gewesen. Jedes Mal, wenn Carlos daran vorbeiging, befiel ihn Wehmut bei den Erinnerungen an den Duft von teuren Parfums und Zigarren, von dem er fast an jedem Wochenende erfüllt war. Allmen hingegen schien ungerührt vom Verlust seiner Residenz und deren Verwandlung in eine seelenlose Bürolandschaft. Er war, wie viele Gambler, ein guter Verlierer.
Carlos bog in den geraden, von Rosenrabatten eingefassten Weg ein, der die Haustür mit dem schmiedeeisernen Tor zum Grundstück verband. Als er dieses beinahe erreicht hatte, öffnete es sich, und María Moreno kam herein. Er bekam etwas Herzklopfen, wie immer, wenn er ihr begegnete. Der Wind hatte eine Strähne aus ihrer strengen Hochsteckfrisur gelöst und blies sie ihr ins Gesicht. María stellte ihre beiden Einkaufstüten ab und wollte Carlos auf den Mund küssen. Er wehrte sie ab, und sie lachte ihn aus. Aber dort, wo Carlos herkam, küsste man sich nicht in der Öffentlichkeit. Auch wenn man sich noch so liebte.
Er ging auf dem schmalen Trottoir die undurchsichtigen Hecken der alten Villen entlang bis zu der Kreuzung, wo der gelbe Briefkasten hing. Er hatte die Leerungszeiten auswendig gelernt, um die Begegnung mit dem Postbeamten zu vermeiden. Leute mit seinem Aufenthaltsstatus machten besser einen großen Bogen um Uniformierte, fand er.
Carlos warf den Brief ein und kehrte um. Viel weiter als bis zum Briefkasten ging er selten. Nicht wie María Moreno, die sich in der Stadt bewegte, als wäre sie hier geboren. Sie besaß zwar auch keine gültigen Papiere, aber sie wusste die Santa María de Compostela auf ihrer Seite. Nach ihr war sie getauft, und bis heute hatte sie ihr noch immer geholfen.
Der Wind hatte dunkelgraue Wolken angeschleppt und war allein weitergezogen. Carlos ging etwas schneller.
Der Umstand, dass das Bild aus einem Diebstahl stammte, gefiel ihm. So konnte er ziemlich sicher sein, dass die Klientin nicht die Polizei einschalten würde. Er mochte die Fälle nicht, in denen Allmen International mit der Polizei zusammenarbeitete. Auch das aus Gründen seines Aufenthaltsstatus.
Die ersten Tropfen fielen. Carlos fing
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