Allmen und die Dahlien (German Edition)
Feinkostgeschäfte, Weinhändler«, fuhr Allmen fort, um auch etwas beizutragen.
Carlos nickte. »Alle, die ein und aus gingen.«
»Und ein Gepäckstück dabeihatten, in das das Bild gepasst hätte.«
»Etwa vierzig mal fünfzig Zentimeter«, präzisierte Allmen.
»Plus der Rahmen. Fast zehn Zentimeter breit. Etwa sechzig mal siebzig also, das ganze Bild, Don John.« Allmen erwiderte nichts, aber Carlos sah ihm an, dass ihn die Zahlenfuchserei nervte. »Más o menos«, fügte er hinzu, mehr oder weniger.
Carlos hatte jetzt das Poliertuch aus der schwarzen Kiste geholt und zauberte den letzten Glanz auf Allmens Schuhe. Allmen sah ihm gedankenversunken dabei zu.
»Una sugerencia, nada más.«
»Diga.«
»Vielleicht sollten Sie für eine Weile ins Schlosshotel ziehen.«
Allmen hatte diesen Entschluss längst gefasst. Aber jetzt tat er so, als müsse er sich den Vorschlag gründlich durch den Kopf gehen lassen.
»Es wird sich wohl kaum vermeiden lassen«, seufzte er schließlich. Und ärgerte sich über den Anflug eines wissenden Lächelns, den er bei Carlos zu entdecken glaubte.
7
Allmens Suite in der dritten Etage war ein bisschen muffig. Schwere weinrote, mit goldenen Kordeln geraffte Vorhänge schluckten das bisschen Licht, das durch die fast blickdichten Gardinen drang. Die durchgesessenen Polstergarnituren waren mit verschossenen Biedermeierstreifen und düsteren Gobelins bezogen. Die Stilmöbel – Kommoden, Konsolen, Nachttische, lederbezogene Schreibtische – hatten alle eine Restaurierung nötig. Auf dem dicken, braungrünen Spannteppich waren Perserbrücken verteilt, scheinbar willkürlich, aber in Wahrheit wohl, um Flecken zu kaschieren, die nicht mehr rausgingen. Das hohe Doppelbett war voller Samtkissen, die nach Staub rochen.
Das Schönste war die Verbindungstür zwischen Wohn- und Schlafzimmer. Sie bestand aus zwei Flügeln, die bis zur hohen Decke reichten, und verlieh der Suite etwas Herrschaftliches trotz ihres Miefs.
Allmen öffnete die Doppelfenster. Der Verkehrslärm der Straße, die das Hotel vom Ufer trennte, drang herauf. Hinter den noch kahlen Platanen, die die Promenade säumten, blies der Wind kleine Schaumkrönchen in den See. Der Himmel war bis auf ein paar eilige Wolken wieder blau.
Er begann, seine Anzüge aus dem Schrankkoffer in den Kleiderschrank zu hängen. Sieben Stück hatte er sich von Carlos packen lassen. Nicht, weil er vorhatte, so lange zu bleiben. Aber er pflegte sich für den Abend umzuziehen. Und weil die Wahl eines Anzugs nicht nur von Wetter und Gelegenheit abhing, sondern auch von seiner Stimmung, fand er eine Auswahl von sieben nicht übertrieben.
Ein Anruf von Carlos bei Cheryl Talfeld hatte nicht genügt, um ihm die »See-Suite« und einen zuvorkommenden Empfang zu sichern. Sie schien nicht mit allzu großen Vollmachten ausgestattet zu sein und musste mit ihrer Chefin Rücksprache halten. Nach zehn Minuten rief sie zurück, teilte Frau Gutbauers Einverständnis mit und ließ ausrichten, dass er nichts unternehmen und mit niemandem sprechen dürfe, bevor sie sich nicht noch einmal gesprochen hätten. Sie gab Carlos eine interne Nummer, auf der er sie anrufen solle, sobald er sein Zimmer bezogen habe. Das tat er jetzt. Sie verabredeten sich in zehn Minuten im Wintergarten.
Der Wintergarten lag auf der Rückseite des Schlosshotels. Er war möbliert mit ein paar Rattansitzgruppen, Zimmerpalmen, einem kleinen gusseisernen Springbrunnen und einer gekühlten Kuchenvitrine für die Patisserie zum Nachmittagstee.
Durch die großen Fenster war der kleine Rest des Parks zu sehen, der früher zum Hotel gehört hatte. Er endete nach knapp zehn Metern bei einem Pavillon, zu dem ein Kiesweg führte. Gleich dahinter stand eine von einem Bürohaus hoch überragte Mauer, auf die eine symmetrische Gartenanlage gemalt war; sie sollte die Illusion von Weite vermitteln.
Frau Talfeld war der einzige Gast. Sie saß in einem der tiefen Korbstühle und winkte ihm zu, als er eintrat. Allmen setzte sich zu ihr. Er wollte ein Ginger Ale bestellen, aber als er ihr fast leeres Cocktailglas mit einer Maraschino-Kirsche bemerkte, machte er daraus einen Highball. Frau Talfeld deutete wortlos auf ihr Glas, der Kellner nickte.
Sie war so streng geschminkt wie am Vortag, und die Frisur sah aus, als hätte sich in der Zwischenzeit kein Härchen verschoben. Ihr Kostüm war diesmal nicht schwarz, sondern von einem blaustichigen Rot, das den Fond ihres Make-ups noch heller erscheinen
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