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Allmen und die verschwundene María

Allmen und die verschwundene María

Titel: Allmen und die verschwundene María Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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Carlos.«
    Carlos nahm das Bild und folgte ihm.
    2
    Auf dem Weg zu Teresa Cutress kamen sie an Allmens Suite vorbei. Allmen bestellte dort beim Room Service zwei Caipirinhas. Trocken, wenig Zucker, kein Lime-Sirup, viel Limetten und Crushed Ice, wie ihn Teresa Cutress mochte.
    Als es klopfte, schoben sie die Dahlien unter das Bett und öffneten. Carlos nahm dem Zimmerkellner das Tablett mit den Drinks ab und gab ihm ein Trinkgeld. Sobald er weg war, nahm Allmen das Tablett und ging. Carlos blieb in der Suite zurück.
    Kaum hatte Allmen geklopft, rief Teresa Cutress’ kindliche Stimme: »Come in!« Als hätte sie ihn erwartet.
    Sie saß wie bei seinem letzten Besuch in dem mittleren der drei Polstersessel. Wieder brannten [81]  die drei Tischlampen, aber diesmal war der Zigarettenrauch so dicht, dass sich ihre Lichtkegel abzeichneten. Es roch nach ihrem schweren Parfum.
    »Stellen Sie es einfach hier hin, und nehmen Sie das da mit.« Sie deutete mit einer schmuckbesetzten alten Hand auf ein leeres Glas.
    Allmen kam es vor, als hätte sie eine schwere Zunge und fahrige Bewegungen. Er trat näher, räumte das schmutzige Geschirr auf das Tablett und die frischen Drinks auf den Tisch.
    »Zwei?«, wunderte sich Teresa. Erst jetzt merkte sie, dass Allmen nicht der Etagenkellner war. Sie kniff die Augen zusammen und musterte ihn. »Ach, das sind ja Sie! Wie war gleich Ihr Name? Allmen? Was für eine Überraschung! Sind wir verabredet? Wie spät ist es?«
    »Zehn vorbei, verzeihen Sie.«
    » Never mind . Ich bin ein Nachtvogel. Setzen Sie sich, und feiern Sie mit.«
    Allmen gehorchte. Sie stießen an, und er gab ihr Feuer für eine neue Zigarette. »Was feiern wir?«
    »Abschied.«
    »Von wem?«
    »Von hier. Von meinem Leben als Dalia Gutbauers Mumie.«
    »Sie verlassen das Hotel?«
    » Exactly . Wundert Sie das? In Hotels bleibt man [82]  nicht bis zu seinem Lebensende. Bin schon viel zu lange hier. Cin cin !« Sie hob das Glas und trank. »Auf Paraguay. Kennen Sie Paraguay?«
    »Ich war einmal dort, von Argentinien aus, als ich die Wasserfälle von Iguazu besuchte. – Sie gehen nach Paraguay?«
    »Asunción. Dort habe ich schon mal gelebt. Was wollen Sie?«
    Die Frage kam so unvermittelt, dass Allmen einen Moment nach seinem vorbereiteten Spruch suchen musste. »Die Sache ist ein wenig heikel.«
    »Mein ganzes Leben war heikel«, kicherte sie.
    »Es geht schon wieder um die Dahlien.«
    »Das habe ich mir beinahe gedacht. Dahlien sind schließlich Ihr Spezialgebiet.«
    Er lächelte und versuchte, sich ihrem Ton anzupassen. »In diesem Fall geht es eher um eine Dahlie. Um die, die Ihnen Madame Gutbauer versehentlich geschickt hat.«
    »Die welke? Sie glauben doch nicht, dass sie mir die versehentlich geschickt hat. Das war vorsätzlich. Diese alte böse Hexe!« Sie griff nach ihrem Glas und nahm einen großen Schluck. »Versehentlich!«
    Auch Allmen nahm das Glas, nippte erst daran und trank dann einen richtigen Schluck. Der Drink war gut und erinnerte ihn an sein Leben bis vor ein [83]  paar Tagen, bevor die rauhe Wirklichkeit sich darin breitgemacht hatte.
    Er stellte das Glas ab und wandte sich wieder der sonderbaren Teresa Cutress zu: »Wie dem auch sei. Es war ein unbedachter Vandalenakt. Und ich habe den Auftrag, das Fragment wiederzubeschaffen. Für Sie ist es wertlos, aber für die Rettung des Werkes ist es von unschätzbarem Wert. Darf ich mit Ihrer Hilfe rechnen?«
    Teresa amüsierte sich. »Aha, jetzt bereut sie es. Aber anstatt sich selbst herzubemühen und sich zu entschuldigen, schickt sie ihren Mann für Sicherheitsfragen. Sagen Sie ihr, ich denke nicht daran, es ihr zurückzugeben.« Sie leerte das Glas und griff nach den Zigaretten. »Selbst wenn ich es noch hätte.«
    »Sie haben es nicht mehr?«, fragte Allmen erschrocken. »Was haben Sie damit gemacht?«
    »Sie haben ja selbst gesagt, für mich sei es wertlos.« Sie beugte sich etwas vor und ließ sich von ihm Feuer geben. »Was tut man mit wertlosen Sachen?«
    »Sie haben es weggeworfen?«
    »Natürlich.«
    »Wohin?«
    »In den Müll, natürlich.«
    »Wann?«
    »Heute.«
    Allmen stand auf. »Wohin genau?«
    [84]  Sie zögerte kurz und zeigte dann auf den Papierkorb. Allmen ging hin. Er war leer.
    »Das Housekeeping war inzwischen da. Alles andere als selbstverständlich in diesem verwahrlosten Kasten.«
    3
    María fror. Sie hatte die dünne Wolldecke bis unter das Kinn gezogen und zitterte. Vor schätzungsweise einer halben Stunde – genau wusste

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