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Allmen und die verschwundene María

Allmen und die verschwundene María

Titel: Allmen und die verschwundene María Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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kommentarlos. »Er macht es«, eröffnete er ihm. »In Rekordzeit.«
    »Wie lange?«
    »Drei Tage!«, sagte Allmen, nicht ohne Stolz.
    » Tres días, Don John!« Drei Tage waren eine Ewigkeit. Hatte er denn nicht gesehen, in welchem Zustand María war. Wie sollte sie drei weitere Tage überleben!
    »Anstatt zwei Monate, Carlos.«
    »Noch drei Tage bei diesen Schweinen, Don John?« Er schrie es beinahe.
    »María ist stark«, antwortete Allmen. »Das wissen wir, nicht wahr, Carlos?«
    Don John hatte recht, María war eine starke Frau. Manchmal fast zu stark für sein Selbstbewusstsein, [124]  wenn er ehrlich war. Aber heute hatte sie so zerbrechlich ausgesehen.
    Carlos hob die Schultern. »Pero sólo es mujer.« Aber sie ist nur eine Frau.
    Allmen schwieg. Carlos sah jetzt, dass die Sache seinen Patrón auch etwas mitgenommen hatte. Über der Nasenwurzel waren zwei geschweifte Falten eingefurcht, die sonst nicht da waren. Und an den schlecht zugänglichen Stellen unter den Nasenflügeln hatten sich ein paar Stoppeln angesiedelt. Etwas, was Carlos noch nie zuvor beobachtet hatte.
    »Don John, Sie glauben doch auch, dass Señor Rebler dahintersteckt?«
    »Sieht ganz so aus, Carlos.«
    »Weil er das Bild seiner Freundin zurückgeben will, der er es geschenkt hatte. Und der es el Señor Tenz gestohlen hat.«
    »Davon gehe ich aus.«
    »Sie haben sie doch kennengelernt. Glauben Sie, dass sie von der Entführung weiß?«
    Allmen schüttelte den Kopf. »Das kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Una sugerencia, nada más.«
    »Diga.«
    »Vielleicht sollte sie es erfahren, Don John.«
    Allmen nahm den Vorschlag schweigend zur Kenntnis und dachte darüber nach.
    [125]  Carlos wusste, dass Don John die Telefonnummer der Römerin von Remo di Gioya bekommen hatte. » Tal vez rufen Sie sie an«, schlug er vor.
    Allmen schien noch immer unentschlossen. Aber plötzlich gab er sich einen Ruck, zog das Handy hervor, suchte im Nummernverzeichnis und rief an.
    So still war es in der Bibliothek, dass Carlos den Freiton hören konnte. Und dann auch das »Pronto?« der Frauenstimme.
    » Sono John Allmen, ciao Dalia, come stai «, sagte Allmen aufgeräumt. »Dalia? Pronto? Dalia?« Er hielt Carlos das Handy entgegen, wie zum Beweis, dass sie aufgelegt hatte.
    Aber Carlos ließ nicht locker. »Vielleicht ist sie an einem Ort mit schlechtem Empfang.«
    Allmen machte einen zweiten Versuch. Lange lauschten beide dem schwachen Läuten, bis es in eine andere Tonart und Kadenz wechselte zum Zeichen, dass die Nummer nicht erreichbar war.
    Allmen sah Carlos fragend an.
    »¿Un mensaje tal vez?«
    Allmen schrieb eine Nachricht. Hielt inne, überlegte, schrieb, unterbrach, änderte, schrieb. Endlich las er vor: »Liebe Dalia, eine Frau wurde als Geisel genommen für das Dahlienbild, das dir gestohlen wurde. Sie wird gequält und mit dem Tod bedroht. Sag Tino bitte, dass das Bild in drei Tagen repariert [126]  ist und er es zurückbekommt. Aber bitte behandelt die Frau gut, sie hat mit der Sache nichts zu tun. Bitte. John A.«
    »Wie finden Sie es, Carlos?«
    »Vielleicht noch besser ›eine unschuldige Frau‹, Don John.«
    Allmen fügte das Adjektiv ein und drückte auf »Senden«.
    In diesem Moment erschien auf dem Display das Symbol für einen eingehenden Anruf. »Anonym«. Sekundenbruchteile danach klingelte sein Handy. Beide, Allmen und Carlos, wussten sofort, wer es war.
    Allmen meldete sich mit »Pronto«.
    »Quando?«, fragte die Stimme nur.
    »Fra tre giorni«, antwortete Allmen.
    »Giovedí?«
    »Donnerstag«, bestätigte Allmen. »Elf Uhr.«
    »Va bene«, sagte der andere.
    »Aspetti!«, rief Allmen. »Noch etwas. Behandeln Sie die Dame wie ein Gentleman. Nicht wie ein Schlappschwanz.«
    Nach papamolla , »Schlappschwanz«, blieb es einen Sekundenbruchteil still. Dann wurde die Verbindung unterbrochen.
    » Con todo el respeto , Don John, ich weiß nicht, ob der letzte Satz nötig war.«
    [127]  13
    María heulte, als sie in den Kellerraum zurückgeführt wurde. Vielleicht hatte sie damit Julio gerührt, denn er verließ den Raum nicht wie sonst vor Due, sondern wartete auf ihn und befahl ihm, die Handfesseln zu lösen, als dieser Anstalten machte, sie gefesselt zurückzulassen.
    Die Luft war kalt und abgestanden und roch nach dem Toiletteneimer und ihrem Erbrochenen. Sie fühlte sich so schwach und elend, dass sie sich gleich auf die Matratze legte, in die dünne Decke hüllte und sofort einschlief.
    Sie erwachte von einem Schüttelfrost.

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