Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allmen und die verschwundene María

Allmen und die verschwundene María

Titel: Allmen und die verschwundene María Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
Vom Netzwerk:
Relevanz, hob das Bild an und studierte dessen Rückseite. »›Perfekt, perfekt‹«, murmelte er, »›perfekt‹ kann ich nicht garantieren. Es sei denn, Sie hätten das fehlende Stück noch.«
    »Ich fürchte, das ist verlorengegangen.«
    »Dann müssen wir wohl oder übel doublieren.«
    »Was bedeutet das?«
    »Die Leinwand hinterkleben. Und dann die Fehlstelle mit Kitt füllen. Dann erst kann man die Blüte neu malen. Danach muss die Stelle trocknen, dann wird sie gefirnisst.«
    »Klingt nach viel Zeit.«
    »Am meisten Zeit braucht das Glätten der Leinwand. Ich muss das Bild abspannen und in die [120]  Feuchtigkeitskammer legen und danach auf dem Unterdrucktisch langsam glätten.«
    »Macht insgesamt wie viel Zeit?«, fragte Allmen ungeduldig.
    Der Restaurator überschlug den Zeitbedarf im Kopf. Schließlich sagte er: »Zwei Monate. Minimum.«
    Allmen schüttelte mitleidig den Kopf. »Und wenn Sie es etwas weniger perfekt lösen?«
    Jetzt war es an Erlbaum, den Kopf zu schütteln. »Ich habe einen Ruf zu verlieren, Herr von Allmen.«
    »Die Wahrung absoluter Diskretion beruht selbstverständlich auf Gegenseitigkeit. Nie wird jemand erfahren, dass Sie der verantwortliche Restaurator waren.«
    »Ich könnte das Glätten der Leinwand ohne Feuchtkammer versuchen. Die Verwerfungen sind ja ganz frisch.«
    »Was sparen wir dadurch?«
    »Drei Wochen.«
    »Damit sind wir noch immer meilenweit entfernt von der Kategorie der Dringlichkeit, an der meiner Auftraggeberschaft mehr als nur gelegen ist. Vielleicht gehen wir die Sache anders an. Finanziell. Von welchem Betrag würden wir im Normalfall bei dieser Arbeit reden?«
    Erlbaum kratzte sich am Backenbart und [121]  rechnete lange. »Ohne Expresszuschlag käme Ihre Auftraggeberschaft nicht unter, sagen wir, fünfunddreißigtausend davon.«
    »Machen wir vierzig. Plus vierzig für die Eile. Plus vierzig für die Diskretion.«
    Falls Allmen erwartet hatte, dass Severin Erlbaum sofort die Waffen strecken würde, hatte er sich getäuscht. Er runzelte die Stirn, tat, als ob er im Kopf die offizielle Tariftabelle des Restauratorenverbandes für Diskretion und Hudelei durchging, und sagte dann: »Unter hundertfünfzig komme ich nicht raus, fürchte ich.«
    »Dann hundertfünfzig«, sagte Allmen obenhin. »Jetzt zum Zeitplan. Was ist das absolut Schnellste, das Sie anbieten können, Herr Erlbaum?«
    Er überlegte lange. Allmen hatte den Eindruck, dass sich der Schweißgeruch dabei noch intensivierte. »Sechs Tage«, antwortete Erlbaum schließlich. »Aber dann alles ohne Garantie. Dann arbeite ich mit Haartrocknern und synthetischen elastischen Textilien und anderen Pfui-Pfuis.«
    Allmen dachte an María Moreno, wie schicksalsergeben und hoffnungslos sie vor ihrem Bewacher in den Wald zurückgestolpert war, und sagte: »Drei Tage und drei Nächte macht auch sechs.«
    Diesmal überlegte Erlbaum nicht lange: »Das kostet aber Nachtzuschlag.«
    [122]  »Wie viel?«
    »Zehn pro Nacht.«
    Allmen griff in die Brusttasche und zog ein Bündel Tausender heraus. »Das müssten fünfzig sein. Die restlichen hundertdreißig bei Lieferung.«
    »Fünfzig Prozent. Ich nehme immer die Hälfte als Anzahlung. Neunzig, in Ihrem Fall.«
    »Dann muss ich noch kurz bei der Bank vorbei. Fangen Sie ruhig schon einmal an.«
    Allmen war froh, als er wieder an die frische Luft trat. Er sandte Herrn Arnold eine Nachricht. Ein paar Minuten später sah er den Fleetwood kommen.
    12
    Carlos stand in einem Rosenbeet und harkte. Er hatte es nicht mehr ausgehalten, nichts zu tun. Aber jetzt, wo er etwas tat, merkte er, dass es ihn auch nicht ablenkte. Er musste immer an María denken. Wie erschöpft und krank sie ausgesehen hatte. Wie schwach ihre Stimme geklungen hatte, als sie auf seinen Zuruf etwas Unverständliches geantwortet hatte.
    Hoffentlich hatte Don John Erfolg. Hoffentlich war der Restaurator einverstanden, das Bild zu [123]  reparieren. Und hoffentlich sofort. Carlos glaubte nicht, dass María es noch lange aushalten würde.
    Endlich kam Don John. Carlos hörte auf zu harken und sah ihn erwartungsvoll an.
    Allmen lächelte, hielt einen Daumen in die Höhe und ging ins Haus.
    Gracias a Dios, Carlos atmete auf, gute Nachrichten. Er ließ die Harke fallen und folgte dem Patrón ins Haus. Kurz darauf stand er in Drillich, Gärtnerschürze und Arbeitsschuhen auf dem Bibliotheksteppich. Etwas, was ihm unter normalen Umständen im Traum nicht eingefallen wäre.
    Allmen registrierte den Stilbruch

Weitere Kostenlose Bücher