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Allmen und die verschwundene María

Allmen und die verschwundene María

Titel: Allmen und die verschwundene María Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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tun«, eröffnete sie das Gespräch.
    »Non è possibile«, staunte Allmen.
    »Es ist Dario, der Mann, der mich beschützt. Beschützt hat, muss ich sagen. Tino hat ihn gefeuert, grazie a Dio . Er ist ein Krimineller.«
    »Weshalb dann die Entführung?«
    [137]  »Gekränkter Stolz. Dass er sich das Bild hat klauen lassen. Er will es Tino um jeden Preis zurückbringen. Vor die Füße schmeißen, am liebsten.«
    »Und Tino Rebler will das auch?«
    »Er hat bestimmt nichts dagegen. Aber nicht mit solchen Methoden. Tino ist kein Krimineller.«
    Allmen kommentierte diese Einschätzung nicht. Stattdessen fragte er: »Und du? Willst du es auch zurück?«
    Dalia Fioriti machte ein zauberhaft angewidertes Gesicht. »Ich kann es nicht mehr sehen.«
    »Weiß das Herr Rebler?«
    » No, per carità! Das darf ich ihm nicht sagen.«
    Allmen wurde sehr ernst. »Die entführte Frau heißt María Moreno. Sie ist Kolumbianerin und wird nächsten Monat einunddreißig.« Allmen zog ein Foto aus der Brieftasche und legte es vor Dalia hin. Es zeigte eine sorglos lachende María. Carlos, der Hobbyfotograf, hatte es vor zwei Wochen im Park der Villa Schwarzacker aufgenommen. Sie stand vor dem gelben Hintergrund einer blühenden Forsythie und lachte übermütig, die schwarzen Haare offen, den Kopf leicht zurückgeworfen, schneeweiße Zähne kirschrot umrahmt.
    »Che bella«, stellte Dalia fest und gab ihm das Foto zurück.
    »Kannst du ihr helfen?«
    [138]  Sie schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich kann nicht einmal erwähnen, dass sie entführt wurde. Tino würde fragen, woher ich das weiß. Nein. Man kann ihr nur mit dem Bild helfen. Man muss es Dario geben, sonst dreht er ganz durch.«
    »Das Bild ist beschädigt. Wir wollten es ihm so geben, aber er hat es nicht akzeptiert. Er will, dass wir es reparieren. Das dauert drei Tage. Ich habe María gesehen. Ich weiß nicht, ob sie noch drei Tage durchhält.«
    Dalia schien ehrlich betroffen. »Glaub mir, ich würde gerne helfen. Aber ich weiß nicht, wie.«
    Beide saßen eine Weile still da. Der Backpacker hatte bezahlt und ging nun hinaus. Die Bedienung sah gelangweilt zu ihnen herüber und wandte sich dann wieder ihrem Handy zu.
    »Vielleicht kannst du Dario bitten, sie während der drei Tage anständig zu behandeln.«
    »Ich habe keinen Kontakt mehr zu Dario. Ich habe einen neuen Beschützer.«
    Allmen blickte suchend zum Eingang hinüber, sah aber niemanden.
    Sie lächelte. »Er muss sich noch einarbeiten.«
    »Du hast doch bestimmt noch Darios Handynummer. Schreib ihm eine Nachricht. ›Sei nett zu María‹, oder so. Vielleicht nützt das etwas.«
    »Chissà.« Wer weiß.
    [139]  2
    Severin Erlbaums Backenbart war zerzaust, und seine Augen blickten aus verquollenen Lidern. Er hatte erst nach mehrmaligem Klingeln geöffnet, Allmen hatte ihn in Verdacht, geschlafen zu haben.
    Er war unangemeldet gekommen. Offiziell, weil er mit ihm den genauen Abgabetermin besprechen wollte, in Wahrheit einfach, weil er sehen wollte, ob Erlbaum arbeitete und wie weit er mit der Restaurierung war. Er traute Severin Erlbaum nicht.
    Der Restaurator bat ihn widerwillig herein und ging voraus ins Atelier. Allmen hielt den Atem an. Der Mann mochte sich zur Erfrischung etwas hingelegt haben, geduscht hatte er nicht.
    Die Leinwand war vom Keilrahmen gelöst worden. Sie lag mit der bemalten Seite nach unten auf einer mit Luftpolsterfolie abgefederten Unterlage. Das quadratische Stück eines neuen Textilgewebes klebte darauf.
    »Nie hätte ich das so gelöst«, schimpfte Erlbaum. »Das ist Pfusch!«
    Er wendete die Leinwand vorsichtig. Sie war wieder glatt, die Wellen waren verschwunden. Dort, wo das Loch gewesen war, befand sich jetzt eine helle Stelle mit den Umrissen der zehnten Dahlie. Erlbaum berührte die Stelle vorsichtig mit der Spitze [140]  des kleinen Fingers und nickte zufrieden. »Gespachtelt, um die Leinwanddicke auszugleichen, und klassisch grundiert.«
    Er führte ihn zu einem anderen Maltisch. Dort lag der Keilrahmen. Seine Nagellöcher waren mit einer Masse verspachtelt, die etwas heller war als das Holz des Rahmens. Daneben, in einem weißen Unterteller, lagen die kleinen Tapezierernägel. Er hatte wohl vor, sie wiederzuverwenden.
    »Bisher war alles Handwerk«, verkündete Severin Erlbaum. »Ab jetzt beginnt die Kunst.«
    Er weckte einen Computermonitor, der auf einem weiteren Tisch neben einer Atelierstaffelei stand. Das Foto des Dahlienbildes, das Allmen ihm mitgebracht hatte, erschien.

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