Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allmen und die verschwundene María

Allmen und die verschwundene María

Titel: Allmen und die verschwundene María Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
Vom Netzwerk:
›Allmen‹.«
    Er folgte ihm ins Vestibül. »Don John?«
    »Diga.«
    »Weshalb wollte der Anrufer die Maße des Lochs wissen?«
    Allmen wurde verlegen. Schließlich antwortete er. »Er sei auch bereit, das beschädigte Bild auszutauschen, sagte er.«
    Carlos’ Miene hellte sich ein klein wenig auf.
    Doch Allmen sah sich gezwungen, ihm die ganze Wahrheit zu sagen: »Aber nur gegen eine ebenfalls beschädigte Geisel.«
    [116]  Carlos schloss die Augen. »Und die Maße?«
    Allmen antwortete nicht.
    Carlos’ glatte olivfarbene Haut war grau geworden. »So groß werde auch das Loch in María sein?«
    Er sah Allmen an, dass er richtig geraten hatte.
    11
    Severin Erlbaum hatte einen weißen Backenbart nach Art der würdigen Herren, deren Porträts er restaurierte. Wohl um die spärliche Kopfbehaarung zu kompensieren.
    Er trug einen weißen, hochgeschlossenen Mantel wie die Irrenärzte in alten Schwarzweißfilmen. Doch was Allmen zuallererst auffiel, war der durchdringende Schweißgeruch, der von ihm ausging.
    Seine Adresse hatte Carlos im Internet gefunden. Erlbaums Atelier befand sich in einem kleinen Haus in einem schwer zu findenden und schlecht zugänglichen Hinterhof. Ein Schild an einer stark befahrenen Straße nicht weit vom Stadtzentrum war schwungvoll mit »Restaurierungen, Vergoldungen, Konservierungen Severin Erlbaum, 60 m« beschriftet und wies in seine Richtung.
    Herr Arnold hatte den Fleetwood mit blinkenden Warnlichtern halb aufs Trottoir gestellt und das [117]  Bild zu dem kleinen Häuschen getragen. Es hatte ein Schaufenster, in dem Fotos von Restaurierungsbeispielen ausgestellt waren. Allmen klingelte, und Severin Erlbaum empfing ihn persönlich. Er war auf den Besuch vorbereitet, denn Allmen hatte mit ihm telefoniert und ihn gefragt, ob er Zeit für einen »dringenden und entsprechend lukrativen Auftrag« habe.
    Herr Erlbaum hatte im Prinzip keine Zeit, sagte aber, er könne sich die Sache ja einmal ansehen.
    Er führte Allmen und Herrn Arnold in ein Studio. Die Wände hingen voller Bilder, alle von ein und demselben Maler, alles surrealistische Werke in hyperrealistischer Technik. Der Schöpfer dieses Œuvres kannte seinen Dalí.
    Severin Erlbaum bemerkte, dass Allmen die Bilder betrachtete. »Eigentlich bin ich Künstler. Aber von etwas muss der Mensch ja leben.«
    Ein Satz, den in dieser Situation genauso gut Allmen hätte sagen können.
    Herr Arnold legte den verpackten Fantin-Latour auf einen der großen Maltische. »Danke, Herr Arnold«, sagte daraufhin Allmen, »ich möchte nicht, dass Sie einen Strafzettel bekommen.«
    Arnold ging zu seinem unerlaubt geparkten Auto zurück. Man sah ihm an, dass er zu gerne das ominöse Bild gesehen hätte.
    [118]  »Darf ich?«, fragte Severin Erlbaum, setzte, ohne eine Antwort abzuwarten, eine runde Brille auf und begann, das Bild aus dem Packpapier zu schälen. Als er den Fantin-Latour freigelegt hatte, stieß er zwei Pfiffe aus. Einer galt der Beschädigung, der andere dem Bild. Aber sein Kommentar betraf nur den Schaden: »Wie ist denn das passiert?«
    Allmen zog die Brieftasche aus dem Jackett und entnahm ihr eine Karte. Allmen International Inquiries, The Art of Tracing Art , Johann Friedrich von Allmen, das volle Programm.
    Der Restaurator sah von der Karte zu Allmen und wieder zurück. »Verstehe«, sagte er nur.
    »Dann verstehen Sie bestimmt auch, dass ich zu äußerster Diskretion verpflichtet bin. Sowohl was meine Klientel als auch was die Umstände der Beschädigung angeht.«
    Herr Erlbaum musterte ihn. Ein wenig spöttisch, kam es Allmen vor.
    »Die Auftraggeberschaft ist bereit, diese Diskretion sehr angemessen zu remunerieren«, fügte Allmen hinzu.
    »Haben Sie ein brauchbares Foto von dem Bild im unbeschädigten Zustand?«
    Allmen überreichte ihm eine Kopie des Digitalfotos aus dem Auftragsdossier von Cheryl Talfeld.
    Erlbaum nahm eine Lupe vom Tisch, inspizierte [119]  das Foto, nickte befriedigt und richtete das Vergrößerungsglas auf die Schnittkanten des Lochs. »Sieht sehr frisch aus«, stellte er fest.
    »Wie gesagt, ich kann mich dazu nicht äußern. Meine Mission ist, Sie zu fragen: Trauen Sie sich zu, den Schaden perfekt zu beheben? Und falls ja, in wie wenig Zeit?«
    »Und zu welchem Preis«, ergänzte Erlbaum.
    »Wenn Sie die beiden ersten Fragen zu unserer Zufriedenheit beantworten, ist die dritte für uns von nicht sehr hoher Relevanz.«
    Severin Erlbaum nickte, als wäre die Frage auch für ihn von nicht besonderer

Weitere Kostenlose Bücher