Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
Fatima das Eis für den Whisky vor. Sie ist verantwortlich für das Wohlbefinden des Gastes, bis das „richtige Mädchen“ vorbeischaut. „Für ein paar Pfund bin ich auch bereit“, bietet sich die 40-Jährige an, als sie die Klimaanlage einschaltet. Fatima ist eine jener Frauen aus den Slumvierteln Kairos, die ihren Überlebenskampf aufgenommen haben, indem sie sich in den reicheren Vierteln als Putzfrauen oder Köchinnen verdingen.
Um die Zeit totzuschlagen, erzählt Fatima stolz von ihren vier Kindern, deren Ausbildung sie nun aus eigener Tasche bezahlen kann. Sie arbeitet hier, seit ihr Mann vor zwei Jahren gestorben ist. Manchmal werden die Wohnungen an Familien vermietet, die in Kairo Urlaub machen wollen, meist quartieren sich aber Männer aus dem Golf ein. Sie bevorzugt ersteres, aber „was kann ich machen“, fügt sie hinzu, „Geschäft ist Geschäft.“
Fatima kennt sich aus im Geschäft. Die Nachricht von den vermieteten möblierten Wohnungen breitet sich unter den Zuhältern aus, „und dann kommen die Prostituierten wie die Ameisen“, beschreibt sie. Einzelne Prostituierte gehen tagsüber von Tür zu Tür. Manchmal kommen die ersten Anfragen schon um fünf Uhr morgens, weiß Fatima zu berichten. Die Prostituierten machen ihre Runde bis zum späten Nachmittag, um dann von einer an noch härteres Arbeiten gewöhnten Nachtschicht abgelöst zu werden.
Die zwanzigjährige Aisha kommt von der anderen Seite der Brücke aus dem Armenviertel Imbaba. Mit ihrer aufgetakelten Frisur, einer dicken Lage Make-up und einer Wolke von Parfüm stolpert sie mit ihren Stöckelschuhen zur Haustür herein. Anders als die Haushaltshilfe Fatima, die weder lesen noch schreiben kann, besitzt Aisha ein Handelsabitur. Eine ihrer Schulfreundinnen hatte sie vor wenigen Monaten ins verbotene Geschäft eingewiesen. Sie sieht sich gerade nach anderer Arbeit um, sagt sie. Sehr verlockend dürfte der Arbeitsmarkt allerdings nicht auf sie wirken. Als Prostituierte verdient sie in ein paar Tagen so viel wie ein staatlicher Buchhalter in einem ganzen Monat.
Der soziale Hintergrund der Frauen ist sehr unterschiedlich. Einige Schlussfolgerungen können aus Studien gezogen werden, die über Frauen gemacht wurden, die wegen so genannter „Sexualdelikte“ verhaftet wurden. „Anders als bei anderen Delikten variiert der soziale und wirtschaftliche Hintergrund dieser Frauen erheblich“, berichtet eine Forscherin vom Nationalen Zentrum für Soziologische und Kriminologische Studien. „Es ist erstaunlich, wie gut ausgebildet manche von ihnen sind“, sagt sie.
Unterdessen sprechen Ärzte privat von einem Ansteigen der Aids-Fälle nicht zuletzt auch aufgrund der Prostitution. Aisha jedenfalls bricht auf die Frage, ob die Golfaraber Kondome benutzen, nur in Lachen aus. Sie selbst denkt auch nicht weiter über die Risiken nach, sagt sie.
Um der Prostitution einen islamischen Deckmantel zu geben, unterzeichnen manche der Frauen geheime Eheverträge mit ihren Sommergästen. Diese in Ägypten unter dem Namen „Zawag Al-Urfi“ bekannten Eheverträge werden ohne Zeugen geschlossen und enden meist gegen Ende des Sommers in Scheidung. Die meisten islamischen Rechtsgelehrten verurteilen die Zawag-Al-Urfi-Methode als einen Versuch, Prostitution zu legalisieren. Von Staats wegen gibt es allerdings keine Einwände gegen diese umstrittene Eheform.
Neben der Suche nach Sommerbekanntschaften kommt so mancher Mann aus dem Golf auch nach Ägypten, um nach einer richtigen Braut Ausschau zu halten. Diese Art von Braut-Tourismus boomt vor allem in den Dörfern rund um die Nildelta-Stadt Mansura. Ihr eilt der Ruf voraus, die „attraktivsten Bräute“ hervorzubringen. Es geht die Mär, dass Napoleons Soldaten sich bei ihrer kurzen Expedition nach Ägypten vor fast zwei Jahrhunderten mit der örtlichen Bevölkerung vermischten. Bis heute finden sich dort deren Nachfahren, Traumfrauen nach arabischem Geschmack, mit heller Haut und feinem, glattem Haar.
Ein Ruf, der bis an die andere Seite des Roten Meeres reichte – und schon rochen die ersten informellen Heiratsvermittler den lukrativen Braten. Einige ältere Frauen stürzten sich ins Geschäft. Auf Anfrage präsentieren sie ihren männlichen Kunden eine Reihe von Fotografien heiratsfähiger Frauen. Ist die Wahl getroffen, kommt eine Einladung für ein Gespräch unter vier Augen, und wenn die Braut für gut befunden wird, machen sie und ihr künftiger Ehemann sich auf dem schnellsten Weg in dessen
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