Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
Kairoer Innenstadt entsprach demnach dem Konsum eines Päckchens Zigaretten.
Nachtrag: Ägypten ist ein Raucherparadies geblieben. Ende 2007 wurde zwar ein Gesetz erlassen, das nach amerikanischem und europäischem Muster auch in Ägypten das Rauchen in öffentlichen Gebäuden untersagt. Aber Gesetze beeindrucken Ägypter in der Regel wenig, wenn sie nicht auch durchgesetzt werden. Bisher werden die Raucher nur verfolgt, wenn sie in den Untergrund gehen. In der Kairoer U-Bahn wird das Rauchen mit einer Geldstrafe von umgerechnet etwas mehr als einem Euro geahndet. Ein System, das mit einem Polizisten an jeder zweiten Bahnhofssäule prächtig funktioniert: Auf dem Bahnsteigboden in Kairos U-Bahn-Wunderland findet sich kein einziger Zigarettenstummel.
Doch ansonsten qualmt es an den Ufern des Nils weiter, wie die nationale Raucherstatistik beweist. Danach greifen 12 Millionen Ägypter zur Zigarette oder zur Wasserpfeife, davon sind zehn Prozent Teenager. Eine halbe Million der ägyptischen Raucher ist unter 12 Jahre alt. Tendenz steigend: Die jährliche Zunahme der Raucher übersteigt das Bevölkerungswachstum um ein Dreifaches, und das will etwas heißen. Und auch jene Berufsstände, die den Ägyptern die ungesunde Angewohnheit eigentlich ausreden sollten, greifen gerne zum Glimmstängel. Etwas weniger als die Hälfte der Ärzte raucht, dagegen sind es unter Lehrern mit 56 Prozent etwas mehr als die Hälfte. Und selbst zwei von zehn Sportlehrern können in den Pausen nicht vom Laster des blauen Dunstes lassen.
Ägyptens Männer lechzen nach Viagra
(Kairo, den 14. Mai 1998)
Seit einer Woche ist sie in Kairo in aller Munde – zumindest im übertragenen Sinne. Sechs von zehn Apothekenbesuchern fragen angeblich nach ihr: Al-Haba Al-Zarqa, die blaue Pille, vom Volksmund auch getauft: die Glücksehen-Kapsel. „Viagra“, die neue US-Pharma-Therapie für den impotenten Mann, erobert Ägypten.
Über zwei Millionen Ägypter, so berichtete unlängst die halbamtliche Tageszeitung Al-Ahram , sollen verzweifelt nach der Wunderpille lechzen. Was soll’s, wollte man meinen, wäre da nicht das ägyptische Gesundheitsministerium. Das weigert sich bisher strikt, den neuen Potenzsteigerer zuzulassen. Erst müssten die Nebenwirkungen erforscht werden, heißt es bei der entsprechenden Zulassungsbehörde. Immerhin liegen drei Männer, die die Pille eingenommen haben, bereits auf der Intensivstation – darunter ein bekannter, aber namentlich nicht genannter 70-jähriger Schauspieler. Nun spekuliert die ganze Stadt über seine Identität.
So bleibt das erektionsförderne Wunderding vorläufig auf dem ägyptischen Index. Aber was sind schon bürokratische Dämme angesichts der maskulinen Verzagtheit. Zahlreiche Kairoer Apotheken haben schon längst begonnen, das Zeug unter dem Ladentisch an den Mann zu bringen. Trotz des für ägyptische Verhältnisse horrenden Preises scheint die Nachfrage ungebrochen. „Ich verkaufe nur noch an meine Freunde und die Kunden, die ich gut kenne. Ich kann nicht jeden zufrieden stellen“, erzählt ein Apotheker.
Von oben versucht man jetzt, die Sache zu bremsen. Der Flughafenzoll wurde angewiesen, auf die vor allem aus den USA mehrmals täglich einfliegenden Pillenbomber ein besonderes Augenmerk zu richten. Gegen mehrere Apotheker läuft bereits ein Verfahren. Waren die Zeitungen zunächst voll von ausschweifenden Berichten über das neue Heilmittel, erschienen die blauen Pillen später nur noch auf den lokalen Mord-und-Totschlag-Seiten der Tagespresse.
Die Polizei vermeldet erste Erfolge durch den Einsatz von Undercover-Einkäufern. Über fünftausend Kapseln wurden allein in einer einzigen Apotheke in Kairo beschlagnahmt. Der Karikaturist der Tageszeitung Al-Akhbar scheint nicht vollends von den hehren Absichten der staatlichen Sicherstellung überzeugt. Sein neuestes Werk zeigt einen hochrangigen Beamten, der seinem Kollegen erfreut berichtet: „Gestern haben wir wieder eine große Menge Viagra beschlagnahmt.“ „Und“, forscht der andere nach, „wie hat’s gewirkt?“
Legal oder illegal – weniger gut positionierten Beamten oder dem überwiegend in Armut lebenden Volk bleibt sowieso nichts anderes übrig, als weiter auf die seit Jahrhunderten bewährten Hausmittel zurückzugreifen. Viele Ägypter schwören auf Rucola-Salat. „Wenn die Frau von der Wirkung des Rucola wüsste, würde sie ihn unter ihrem Bett anpflanzen“, lautet ein ägyptisches Sprichwort. Das Geheimnis des als
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