Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
besonders ausdauernd und zäh geltenden südägyptischen Bauern ist dagegen seine morgendliche Portion Sesam-Paste mit einem Löffel Bienenhonig. Daran wird auch die Firma Pfizer in naher Zukunft wenig ändern.
Schluss mit der geschmuggelten männlichen Potenz
(Kairo, den 30. Juni 2002)
Schwer zu beschaffende Dinge werden in Ägypten oft nur mit Farben bezeichnet. Da akute Devisenknappheit herrscht, gibt es bei den Banken kaum noch Dollars. Stattdessen fragt man auf dem Schwarzmarkt unauffällig nach den begehrten „Grünen“. Auch bei der unschuldigen Anfrage nach „den Blauen“ wartet der Kairoer Apotheker zunächst, bis die anderen Kunden den Laden verlassen haben, bevor er verstohlen eine Packung ins Land geschmuggelter potenzfördernder Viagra-Pillen aus der Schublade zieht.
Bald darf der ägyptische Mann das Kind allerdings offen beim Namen nennen. Nach einem jahrelangen Importverbot hat das ägyptische Gesundheitsministerium verkündet, die lokale Produktion der begehrten blauen Pille zulassen zu wollen. Der anschließende Enthusiasmus in den Medien kannte kaum Grenzen: „Viagra hat gewonnen – Pillen des ehelichen Glückes demnächst auch auf dem ägyptischen Markt“, titelte eine Zeitung.
Glaubt man einer Studie der Kairoer Universitätsklinik, fällt fast ein Viertel aller verheirateten ägyptischen Männer unter die Kategorie „impotent“. Kein Wunder, dass eine andere Studie zum Schluss kommt, dass bisher die Ausgaben für geschmuggeltes Viagra in den Haushalten gleich nach dem Posten der von allen beklagten teuren privaten schulischen Nachhilfestunden kommt. Auch das wird sich ändern. Etwa sechsmal niedriger soll der Preis des legal in Ägypten produzierten Medikamentes gegenüber seinem geschmuggelten Pendant sein. Das bisherige Schmuggelvolumen wird jährlich auf sage und schreibe eine Viertel Milliarde Euro geschätzt.
Neben dem Austrocknen des Schmuggelsumpfes werden mit der jetzt angekündigten lokalen Produktion auch Arbeitsplätze geschaffen. Außerdem werden kostbare Devisen künftig nicht mehr für die Steigerung der männlichen Potenz verschwendet. Warum, so fragt sich der Beobachter, hat das Gesundheitsministerium ein solches Allheilmittel nach dessen Erfindung 1998 auf den Index gesetzt? Argumentiert wurde damals stets mit dem Gesundheitsrisiko aufgrund der Nebenwirkungen und gelegentlich mit dem Bevölkerungswachstum.
In Wirklichkeit ging es wohl eher ums große Geschäft und um die Frage, welcher ägyptische Pharmabetrieb dem Ministerium am meisten Schmiergelder abdrückt, um von Pfizer Inc. USA die Lizenz zu erhalten. Dies hat offensichtlich sechs Jahre gedauert. Mit der jetzigen freudigen Botschaft sind die Aktien einiger ägyptischer Pharmakonzerne gleich sprunghaft angestiegen. Wen wundert’s, dass die Lobbyisten für das Medikament nicht nur im Apothekerverband, sondern auch in den Reihen der Regierungspartei zu finden waren, deren korrupte Mitglieder sich jetzt finanziellen oder möglicherweise auch anderen Eigennutz erhoffen. Bis Ende des Jahres soll es so weit sein. „Wir sind bereit, billigeres und potenteres Viagra mit weniger Nebeneffekten zu produzieren“, verkündet der Chef der Nile Pharmaceutical Company.
Angesichts der ägyptischen Skepsis gegenüber der Effektivität heimischer Produkte taucht in den Zeitungen allerdings schon die eine oder andere kritische Karikatur auf, beispielsweise in der Oppositionszeitung Al-Wafd. Dort hält eine muskulöse Matrone ihren abgemagerten, versagenden Ehemann am Schlafittchen, während der Bedauernswerte nur noch keucht: „Ich habe gleich gesagt, wir sollen die importierten nehmen, aber du wolltest ja unbedingt die ägyptischen.“
Nachtrag: Inzwischen findet sich eine ganze Reihe Viagra-Generika auf dem ägyptischen Markt. Die billigsten Sorten sind bereits für etwas mehr als einen Euro pro Packung zu haben und enthalten den gleichen Wirkstoff wie das Originalprodukt. Die einheimischen Blauen sind auch ein beliebtes Mitbringsel für so machen Ägyptenreisenden.
Abgerissen sind auch nicht die zahlreichen ägyptischen Witze um das sagenumwobene Mittel. Wie so oft im ägyptischen Humor müssen auch hier die Saidis – die Oberägypter aus dem Süden des Landes – herhalten. Als der Vater eines Saidis stirbt, läuft der sofort in die Apotheke und besorgt sich Viagra. Nachbarn und Freunde fragen ihn verwundert, warum er ausgerechnet nach dem Tod seines Vaters an nichts anderes denkt. Der Saidi antwortet verschmitzt:
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