Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
„Wer sonst würde nach dem Tod meines Vaters an meiner Seite stehen.“
Sextourismus in Kairo:
Kühle Brise und heiße Nächte
(Kairo, den 15. August 1995)
Sie sieht nicht so aus, wie man sich landläufig eine Zuhälterin vorstellt. Etwa fünfzig Jahre alt, lebt Hagga in einer einfachen Wohnung im Kairoer Nobelviertel Muhandseen. Ihr schwarzer Überwurf und ihr Kopftuch zeugen von einem eher traditionellen Blick auf die Welt. Auch ihre Sprache ist geschmückt mit allerlei religiösen Floskeln. „Morgen können Sie zwei Mädchen haben, Inscha Allah – so Gott will. Für die möblierte Wohnung zahlen Sie extra. Möge Gott es uns einfach machen.“
Besonders in den Sommermonaten läuft in der ägyptischen Hauptstadt das Geschäft mit den möblierten Wohnungen mit dazugehöriger Haushaltshilfe in jedem Alter und mit jeder Figur zu jeder Tages- und Nachtzeit auf vollen Touren. Das ist die Zeit, wenn die Chalidschiyn – die Araber aus den Golfstaaten – nach Kairo kommen, auf der Suche nach einer kühleren Brise und heißer Unterhaltung.
Fast eine Million arabischer Touristen, meistens Saudis, haben die Nil-Metropole letztes Jahr besucht. Sie machen inzwischen ein gutes Drittel aller Besucher Ägyptens aus, Tendenz steigend. Fast 100 000 Kuwaitis wollten sich die Sommerparty ebenfalls nicht entgehen lassen.
Einer von Kairos glitzerndsten Boulevards – die „Straße der Arabischen Liga“ – wird inzwischen im Volksmund nach Kuwait-Citys berühmter Einkaufsstraße „Salmiya-Straße“ genannt. Jeden Sommer füllen sich die Vergnügungsstätten der Stadt mit Chalidschiyn. Gerade einmal einen Steinwurf von der Straße der Arabischen Liga entfernt, versammeln sich in den teureren ersten Reihen des ägyptischen Nationalzirkus die Großfamilien aus dem Golf. In den Vergnügungsparks der Stadt rammen verschleierte, kichernde Golf-Mädchen die Autoscooter ihrer männlichen Gegenparts. Die Golf-Jugendlichen, denen der Sinn nach arabischer Discomusik steht, zahlen viel Geld für einen Tisch direkt vor der Bühne, auf der eines der ägyptischen Popidole für ihre Unterhaltung sorgt.
In den Nachtclubs an der Pyramidenstraße versuchen Männer aus den Golfstaaten die Zeit totzuschlagen, indem sie die ägyptischen Bauchtänzerinnen mit Geldscheinen bewerfen. Offensichtlich ein lukratives Geschäft für die Tänzerinnen, die sich inzwischen zunehmend darüber beschweren, dass ihnen die eingereiste Konkurrenz russischer Bauchtänzerinnen das Leben schwer macht.
Doch einigen Golf-Männern ist das nicht genug an Unterhaltung. Jedes Jahr beleben sie das Prostitutionsgeschäft der Stadt. Obwohl es offiziell illegal ist, scheinen die ägyptischen Behörden beide Augen zuzudrücken. „Aufgrund möglicher politischer Verwicklungen“, wie ein ägyptischer Politologe glaubt. Nicht zuletzt geht es dabei schließlich auch um harte Währung. Unnötig zu erwähnen, dass die so erzielten Profite nicht ihren Weg in irgendeine offizielle Statistik finden.
Selbst ägyptische Männer, die aussehen, als könnten sie selbst aus den Golfstaaten stammen, werden inzwischen offen auf der Qasr-Al-Nil-Straße im Zentrum Kairos angesprochen. Einige der luxuriösen Restaurants mit Blick auf den Nil wechseln ihre Kundschaft nach Mitternacht. Dann kommen nicht mehr ganze Familien zum Dinieren, sondern Gruppen von Golfarabern und ungewohnt provokativ gekleidete Frauen, die sich rund um die Bar versammeln. Gelegentlich werden die Golfaraber mit ihren weißen Dischdaschas, den traditionellen arabischen Männergewändern, auch schon mal am Flughafen direkt mit Angeboten für „möblierte Wohnungen“ angelockt.
Ein Netz verschiedenster Menschen, die in das Prostitutionsgewerbe involviert sind, macht das verbotene Geschäft fast zu einem öffentlichen Ereignis. Im Selbstversuch mache ich mich mit einem ägyptischen Kollegen auf den Weg. Er gibt sich als Golfaraber, ich mich als Mitarbeiter einer amerikanischen Ölfirma aus. Abu Muhammad, der Pförtner und Hausmeister eines Gebäudes auf der Nilinsel Zamalek, braucht nicht lange, um die Frage zu verstehen: „Eine Wohnung für 24 Stunden, um sich einmal so richtig auszuspannen, ganz besonders nachts.“ Der Makler ist schnell informiert und ruft direkt den Wohnungsbesitzer an. Über die Miete ist man sich bald einig. Der Makler bekommt seine Kommission, und der Pförtner, der für die weitere Logistik sorgt, erhält sein Schweigegeld.
In einem dunklen Zweizimmerapartment bereitet die Haushaltshilfe
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