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Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Titel: Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Statt acht Programmen gibt es seitdem nur noch zwei, und selbst die nur hinter einer gesprenkelten Nebelwand.
    Dort, wo normalerweise seine Gäste Platz nehmen, zeugt eine Bildtapete von Aschrafs alpiner Vorliebe: zwei mal fünf Meter Alpensee. „Das Wasser, der Schnee und das viele Grün beruhigen meine Nerven“, erklärt Aschraf, der derartige Exotik nur aus dem Fernsehen kennt. Gegenüber hängen das obligatorische zehn Jahre alte Hochzeitsbild und zwei Fotos des Hausherrn aus unverheirateten Tagen im rotweißen Trikot des firmeneigenen Fußballclubs.
    Ansonsten ist die Wohnung ein Sammelsurium von allerlei Gegenständen, die Abu Aschraf im Lauf der Jahre bei seinen Gelegenheitsjobs von Ausländern geschenkt bekommen hat. Das größte Kuriosum: ein alter Tennisschläger, der gleich neben dem Fernseher an die Wand genagelt ist und der dem Gästezimmer wohl einen westlich sportlichen Anschein geben soll.
    Imbaba wurde Mitte der 90er Jahre als Hochburg einer der militanten islamistischen Gruppen Ägyptens bekannt. Über die Moscheen und durch unzählige soziale Dienstleistungen hatten die Islamisten das Viertel mobilisiert. Als selbst die ausländischen Medien begannen, vom islamistischen Staat im Staate zu sprechen, war für die Regierung der Zeitpunkt zum Handeln gekommen. Tausende Polizisten riegelten den Stadtteil eine Woche lang hermetisch ab und verfuhren nach dem Motto „Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen“. In Großrazzien wurden Hunderte Einwohner des Viertels festgenommen.
    Abu Aschraf erinnert sich nur ungern an diese Zeit. Er selbst hat mit Politik oder gar der islamistischen Opposition wenig am Hut. An den Slogan, dass der Islam die Lösung sei, hat der praktizierende Muslim noch nie geglaubt. Außer konservativen Moralvorstellungen und ein wenig Wohltätigkeitsarbeit haben die Islamisten für Abu Aschraf und die Seinen wenig zu bieten. Auch die antichristliche Propaganda so mancher radikaler Islamisten ist Abu Aschraf ein Gräuel. Am liebsten, erzählt er freimütig, gehe er jedes Jahr mit seinen koptisch-christlichen Freunden auf das Straßenfest zu Ehren des heiligen Sankt Georg.
    Nachts, wenn der Vater neben seiner kleinen Tochter Basma in der improvisierten Küche auf einer Matratze liegt und nicht sofort einschlafen kann, dann zweifelt er gelegentlich daran, ob ihn Gottes Lohn noch in diesem irdischen Leben erreicht. Dann träumt er davon, dem Kampf ums tägliche Überleben endlich zu entfliehen und wieder in sein kleines Dorf zwei Autostunden südlich von Kairo zurückzukehren. Zwar gibt es auch auf dem Land keine Arbeit, aber wenigstens besitzt seine Familie dort aus alten Tagen noch ein kleines Haus. „Vielleicht können wir ja dann von dem leben, was wir im Garten anpflanzen“, phantasiert er. Nur von einem Busch, auf dem Schulbücher und Schulhefte wachsen, hat Abu Aschraf bisher noch nie geträumt.
    Die Straßenhändlerinnen Umm Abdu und Umm Hassan: „Das Wasser fließt nun einmal nicht nach oben“
    Modern – das ist das Image, das die Kairoer Stadtverwaltung ihrem stinkenden, hupenden, wuselnden Chaos am Nil geben möchte. In ihrem Kreuzzug für das saubere und ordentliche Stadtbild hat sie jetzt auch unsere Straße entdeckt und den unzähligen Straßenhändlern den offenen Krieg erklärt.
    Ihre Gegner sind Umm Abdu („die Mutter Abdus“), die, auf einer Zeitung sitzend, in ihrer schwarzen Abaya, der Tracht der Bäuerinnen, ihre Salatköpfe, frischen Spinat, Petersilie und Koriander anbietet. Und der alte Hagg Aschraf, auf dessen bunter Holzkarre sich vom Schneebesen bis zur Toilettenbürste so ziemlich alle gebräuchlichen Haushaltswaren finden. Und die Alte eine Straßenecke weiter, die jeden Morgen liebevoll ihre Orangen zu einer kleinen Pyramide aufstapelt. Ihnen allen ist eines gemeinsam: Sie kämpfen ums tägliche Überleben und haben keine offizielle Lizenz dafür.
    Bereits mehrmals kamen die Ordnungshüter bei der Gemüsehändlerin Umm Hassan, am Beginn der Straße unweit der Nilbrücke, vorbei. Ihre siebenköpfige Familie lebt hier seit 40 Jahren in einem kleinen Holzverschlag. „Sie haben alles Gemüse weggenommen“, erzählt die Tochter aufgeregt. Einmal hätten sie sogar den Lagerraum der Familie entdeckt und einschließlich der Kinderklamotten alles konfisziert.
    Was die Stadtverwaltung unter einer neuzeitlichen Metropole versteht, das zeigt sich einen Kilometer weiter am unteren Ende der Straße. Hier liegt die Ezba,

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