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Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Titel: Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim El-Gawhary
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Gasse“, ist stark genug, um den anderen zu helfen, und die Bäuerin Amal und ihre Hühner kommen dabei um.
    Der Arbeiter Abu Aschraf:
Warten auf Gottes Lohn im irdischen Leben – eine ägyptische Durchhaltegeschichte
    Alle Jahre wieder durchlebt Abu Aschraf seinen ganz persönlichen Alptraum. Dann nämlich, wenn sich der erste Schultag nähert und der Vater von zwei schulpflichtigen Kindern immer noch nicht weiß, wo er das Geld für die Bücher und für neue Klamotten für seine Kinder auftreiben soll. Als Metallarbeiter in einem staatlichen Elektrobetrieb in Kairo verdient Abu Aschraf gerade einmal 35 Euro im Monat. Und das, obwohl der 36-Jährige schon seit seinem Kindesalter in der gleichen Fabrik tätig ist. Es sind über 15 Euro für die Schulbücher, noch einmal die gleiche Summe für neue Schuhe und 20 Euro für neue Kleidung, rechnet er zusammen. Obwohl er die ganzen Ferien über in einen mit seinen Nachbarn gegründeten Sparclub eingezahlt hat, reicht es auch diesmal nicht. Die Raten für die Schultasche seiner Tochter muss er in den nächsten Monaten abstottern.
    Abu Aschraf möchte seinen Kindern eine halbwegs vernünftige Ausbildung ermöglichen. „Wenn ich abends nach Hause komme, und sie verlangen von mir ein neues Schulheft, dann laufe ich los und kaufe zwei.“ Er selber hat nur drei Jahre die Schule besucht und später in einem Abendkurs neben der Arbeit mühevoll erreicht, zu der Hälfte der ägyptischen Bevölkerung zu zählen, die lesen und schreiben kann. Vor allem in seine Tochter Basma, die gerade die zweite Klasse besucht, setzt er große Hoffnungen. „Sie ist viel pfiffiger als meine beiden Söhne. Vielleicht wird sie einmal eine große Ärztin.“
    Unterdessen rackert sich Abu Aschraf in seiner Fabrik ab. Er gehört nicht zu jenen schätzungsweise fünf Millionen Ägyptern, die jeden Tag in der Verwaltung öffentlicher Betriebe unmotiviert ihre Tage absitzen, Tee trinken, Zeitung lesen und am Ende ihr bescheidenes Gehalt einstreichen. Das Heer dieser Staatangestellten müsste eigentlich zu der geschätzten Arbeitslosenzahl von rund 20 Prozent als versteckte Arbeitslose hinzugezählt werden.
    Trotz fehlender Anreize ist Abu Aschraf in seiner Firma als harter Arbeiter bekannt. „Irgendwann werde ich dafür von Gott belohnt werden. Ich bin einfach nicht der Typ, der nur herumsitzt“, erklärt er eigensinnig. Oft wird der erfahrene Metallarbeiter im ganzen Land herumgeschickt. Er lässt seine Familie tagelang allein und versucht, seine Arbeit als Schweißer in irgendeiner kleinen Provinzstadt verantwortungsvoll durchzuführen. Dann sucht er sich mit seinem Tagegeld von umgerechnet einem halben Euro einen Platz zum Schlafen und etwas zu essen.
    Nach Feierabend oder am Wochenende versucht Abu Aschraf, mit Gelegenheitsarbeiten für in Kairo lebende Ausländer das Familienbudget aufzubessern. Dabei erweist er sich als Allround-Genie: Er organisiert Umzüge, putzt Fenster, repariert tropfende Abflussrohre, verdingt sich als Gärtner oder Tischler. Stolz verweist er auf sein bisher ausgefallenstes Schreinerwerk, einen hölzernen Kleiderständer, der mit eingebautem Licht gleichzeitig als Stehlampe dient.
    Wie Millionen anderer Ägypter im Großraum Kairo lebt Abu Aschraf mit seiner Frau und drei Kindern in einem der über hundert ausgewiesenen Slumviertel der Stadt. Die staubigen und ungepflasterten Gassen sind hier willkürlich angelegt und so eng, dass die Nachbarn sich über die Balkone praktisch die Hände reichen können. Hier, im Stadtteil Imbaba, hat die Familie seit acht Jahren im dritten Stock eines Hauses eine Wohnung gemietet. Während der dreijährige Sohn durch unentwegtes Rennen von einem zum anderen Ende der 50-Quadratmeter-Wohnung versucht, einen kleinen Papierdrachen zum Steigen zu bringen, und die Tochter davon unbeeindruckt ihre Hausaufgaben zu Ende bringt, macht Ehefrau Fatima den Tee für den Gast. Eine Küche gibt es in der Wohnung nicht. Stattdessen wurde im Eingangskorridor ein kleiner Ofen mit Gasflasche aufgebaut – versteckt hinter einer kleinen Holzwand. „Wenigstens die Leute an der Eingangstür sollen nicht sehen, wie wir hier improvisieren müssen.“
    Die meisten Möbel sind selbstgebaut. Der Deckenventilator wurde auf Raten gekauft, ebenso wie der kleine Schwarzweißfernseher, der, nachdem er endlich abgestottert war, von einem der Kinder beim Spielen demoliert wurde. Die Reparatur erwies sich als zu teuer, und so schleppte Abu Aschraf das gute Stück

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