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Alma Mater

Alma Mater

Titel: Alma Mater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Mae Brown
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auf Partys gegangen?«
     
»Nein. Sobald mehr als acht Personen zusammen sind, hab ich das Gefühl, einen Job erledigen zu müssen. Ich muß mit allen reden, muß der Gastgeberin zur Hand gehen. Grauenhaft.« Sie lächelte. »Benimmunterricht.«
     
»Hey, so was haben wir in York auch. Wir nennen es bloß Tanzschule. Ich mußte da hin.«
     
»Sport. Ich hab immer Sport getrieben.« Vic umfaßte mit ihren langen, anmutigen Fingern die Kaffeetasse. »Das hat dem letzten bißchen Lust auf Geselligkeit, das mir noch geblieben war, den Rest gegeben.«
     
»Golf?«
     
»Nein, das überlasse ich Tante Bunny. Baseball. Baseball hab ich geliebt, und dann kam ich an den Punkt, wo Mädchen nicht Baseball spielen durften. Ich meine, ich konnte im Sommer mit den Jungs spielen, aber in der Schule war nur Softball erlaubt. Deshalb hab ich mit Tennis angefangen, das war okay. Hockey. Lacrosse. Leichtathletik. Ich hab alles ausprobiert. Leichtathletik mochte ich am liebsten, aber Mutter und Tante Bunny sagten immer, der Hundertmetersprint bringt auf Dauer nichts.«
     
»Ich dachte, du und Jinx spielt Lacrosse für William and Mary.«
     
»Stimmt. Jinx. Ich tu’s für Jinx. Ich würde genau so gern Tennis für Mary spielen, aber nicht für William.« Sie lachte.
     
»Ich war früher Rückenschwimmerin. Schwimmtraining mit blonden Haaren ist keine gute Idee. Deine Haare färben sich grün.«
     
»Wie punkig.«
     
Sie lachten. Bald darauf zahlten sie, jede für sich, und rannten zum Auto.
     
Der Regen auf der Windschutzscheibe und das Hin und Her der Scheibenwischer waren die einzigen Geräusche im Wagen. Die durch den Regen verwischten Scheinwerferlichter der Autos verstärkten das Gefühl der Intimität in dem Impala.
     
»Jetzt sehe ich, was du damit meinst, daß jeder Regen seinen eigenen Charakter hat«, erklärte Chris, als Vic in Chris’ Zufahrt einbog. »Möchtest du mit raufkommen? Wir können unsere nassen Sachen waschen. Ich kann die Waschmaschine und den Trockner benutzen.«
     
»Hast du ein Glück.« Vic mußte mit ihrer Wäsche in den Waschsalon.
     
Sie stiegen aus und liefen ins Haus. Chris ging voraus zur Waschmaschine, sortierte frohgemut ihre durchweichten Sachen und belud die Maschine. Dann gingen sie die Treppe zu ihrem Apartment hoch. Sie zündete Kerzen an, statt die Lampen anzuknipsen.
     
»John Coltrane, ›A Love Supreme‹? Bob James? David Sanborne? Oder…?«
     
»Den Regen. Ich möchte am liebsten dem Regen zuhören.« Vic setzte sich aufs Sofa.
     
»Ich mach mal lieber die Heizung an. Kaum zu glauben, wie rauh das Wetter ist.«
     
»Ende September. Der Jahreszeitenwechsel. Man kann nie wissen. Ich liebe diese Zeit. Als ich klein war, war ich manchmal draußen auf dem Fluß; Tante Bunny hatte ein Segelboot. Wir waren draußen und binnen Sekunden wurde das Wasser kabbelig, die Wolken wälzten sich herab. Wunderbar.«
     
»Wo du lebst, ist es wunderbar.« Chris setzte sich neben sie. »Die Savedges sind wunderbar.« Sie lehnte sich an die große geschwungene Armlehne des Sofas, streifte ihre Gummistiefel ab und legte die Füße aufs Sofa. »Zieh doch deine auch aus. Mach’s dir gemütlich. Weißt du, der Besuch bei euch war…«, Chris rang um die richtigen Worte, »… wie ein Blick in eine andere Welt. Eine glückliche Welt.«
     
»Wir sind alle ein bißchen irre, das mußt du berücksichtigen.«
     
»Ihr seid eine glückliche Familie. Wir nicht.« Chris stellte das nüchtern fest. »Mom und Dad wahren den Schein. Mom ist furchtbar kritisch. Das Leben muß nach ihrer Pfeife tanzen. Sie ist eine Perfektionistin, und sie macht uns Übrigen das Leben schwer.«
     
»Aber sie liebt dich.« Vic konnte sich nicht vorstellen, eine Mutter zu haben, die sie nicht liebte.
     
»Mutter möchte ein Ebenbild von sich. Sie möchte den Tisch exakt auf ihre Art gedeckt, den Thermostat auf zwanzig Grad, die Uhr auf die richtige Zeit gestellt haben, nicht eine Minute vor oder nach. Wenn ich das alles tue und allem zustimme, was sie sagt, dann liebt sie mich.« Chris lächelte wehmütig. »Meine Mutter ist herrschsüchtig, und sie ist kein sehr glücklicher Mensch.«
     
»Und dein Dad?«
     
»Er arbeitet schwer. Verdient ’nen Haufen Kohle. Hält es mit ihr aus. Spielt seine Rolle.« Sie schüttelte ein Sofakissen auf. »Eure Familie ist glücklich. Ihr akzeptiert euch gegenseitig. In meiner Familie heißt es ständig, das ist falsch, tu dies, tu das. Deine Mom und dein Dad tragen dir vielleicht was

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