Almuric
dich freilassen, so wirst du uns für das Vergangene hassen, und dein Hass ist gefährlich.«
»Ihr könntet mich in den Stamm aufnehmen«, sagte ich versuchsweise.
Er schüttelte den Kopf: »Wir sind keine Yagas, dass wir Sklaven hielten!«
»Und ich bin kein Sklave! Nein – lasst mich als einen der Euren leben, als gleichberechtigten Krieger. Ich kann jagen und kämpfen für den Stamm, und ich stehe keinem eurer Leute darin nach.«
In diesem Augenblick drängte sich einer neben Khossuth vor – der massivste Kerl, den ich bisher in Koth gesehen hatte. Sein Haarpelz war dichter als der der anderen und besaß statt der üblichen blauschwarzen Farbe einen eigentümlichen Rostton.
»Das beweise erst mal!« brüllte er und fügte eine recht ausdrucksvolle Beschimpfung hinzu. »Lass ihn frei, Khossuth! Es ist zum Kotzen, wie ihr alle Respekt vor den Kräften dieses Kerls habt! Lass ihn los – und ich zerquetsche ihn mit bloßen Händen!«
»Der Mann ist verwundet, Ghor«, wandte Khossuth ein.
»Dann warten wir, bis seine Wunde verheilt ist«, drängte der Rostbraune und ließ seine mächtigen Muskeln spielen. »Ich will mit ihm kämpfen – wenn er den Kampf übersteht, bei Thak, dann darf er sich mit Recht Krieger von Koth nennen!«
Khossuth wiegte bedächtig den eisengrauen Schädel. »Ich werde mir das überlegen.«
Damit war die Sache offensichtlich für den Augenblick erledigt, und die Kriegshäuptlinge marschierten hinter ihrem Fürsten hinaus. Thab war der letzte, und bevor er um die Ecke bog, warf er mir einen nicht unfreundlichen Blick zu und winkte aufmunternd.
Dieses sonderbare Volk schien also doch Mitgefühl und vielleicht Freundschaft zu kennen.
Der Tag verging ereignislos. Thab kam nicht mehr. Essen und Wasser wurde mir von unbekannten Kriegern gebracht, und ich ließ es zu, dass sie meinen Kopfverband wechselten. Diese menschlichere Behandlung ließ in mir auch die menschliche Vernunft wieder zu ihrem Recht kommen, und die sinnlose Wut des gefangenen wilden Tieres legte sich – wenn auch ihr Funke irgendwo in meinem Inneren weiterglühte und bei jeglicher Feindseligkeit sofort aufflammen würde.
Das Mädchen Altha sah ich nicht, obwohl ich mehrmals im Gang draußen leichte Schritte vernahm, die aber natürlich nicht die ihren sein mussten …
Bei Einbruch der Nacht betrat ein Trupp Krieger mein Verlies. Sie wollten mich in die Ratsversammlung bringen, wo Khossuth alle Argumente und Gegenargumente anhören und dann über mein Schicksal entscheiden würde. Es überraschte mich, dass man auch Argumente zu meinen Gunsten vorbringen wollte. Sie nahmen mir das Versprechen ab, sie nicht anzugreifen, und schlossen meine Ketten auf, banden mir jedoch die Hände.
Dann führten sie mich aus dem Verlies, durch düstere Gänge, hohe Gewölbe und Hallen in einen großen, runden Saal mit mächtigem Kuppeldach. Nirgendwo sah ich Wandbehänge oder Teppiche oder sonst eine Art von Schmuck. Die Räume waren alle groß, zugig, mit groben Mauern aus schwarzgrünem Stein.
Der Kuppelsaal wurde von einer Unzahl der weißgrünen Fackeln in ein unterseeisches Licht getaucht. Auf der einen Seite stand ein steinerner Thron auf einem großen Felsquader, in den ein geheimnisvolles Symbol eingemeißelt war. Khossuth, Fürst von Koth, thronte hier in düsterer Majestät. Er trug einen Mantel aus Leopardenfell. Vor ihm saßen die anderen in einem weiten Dreiviertelkreis, die Männer auf Fellen hockend, die auf den Steinboden gebreitet waren; die Frauen und Kinder saßen dahinter auf fellüberzogenen Bänken.
Es war eine sonderbare Versammlung. Der Kontrast zwischen den behaarten, bärenhaften Männern und den schlanken, weißhäutigen, zartgliedrigen Frauen ließ einen mit Recht daran zweifeln, dass dies eine Rasse war – und doch war es so: Der Unterschied der Geschlechter prägte sich schon bei den jüngsten Kindern aus. Die kleinen Mädchen waren still, zierlich und hübsch. Die Jungen sahen wie der Nachwuchs von Gorillas aus und benahmen sich entsprechend.
Man wies mir einen Sitz auf einer Steinbank seitlich vor dem Thron an. Ich sah mich um und entdeckte unter den Kriegern Ghor, der mich kampfeslüstern anblinzelte. Bei den Frauen saß Altha und sah mit unerklärlicher Spannung herüber.
Kaum hatte ich Platz genommen, als man schon zur Tagesordnung überging: Khossuth sagte einfach, er würde jetzt die Argumente anhören, und bestimmte einen Mann, der für mich sprechen sollte. Ich war höchst erstaunt, bei
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