Almuric
Reste eines erlöschenden Feuers, über dem an Spießen Fleischstücke rösteten. Die Yagas hatten sich an diesem Feuer ihre Mahlzeit bereitet, aber keiner hatte davon gegessen – keiner würde je wieder essen. Sie lagen auf den hellen Marmorplatten verstreut, zerrissen und zerfleischt.
Nie hatte ich eine Szene solch makabrer Schlächterei erblickt wie diese. Irgend etwas hatte die lagernden Flügelmenschen angegriffen und sie zerfetzt.
Mich überlief es kalt. Welche Tiere zerreißen ihre Opfer nur, ohne sie zu fressen? Nur intelligente Wesen sind solchen perversen Blutdursts, solch wütender Zerstörungslust fähig.
Und wo war Altha? Die verstreuten Leichenteile hatten alle die schwarzglänzende Haut der Yagas. Ein Blick auf die Fleischstücke an den Spießen ließ mich erstarren – die Flügelteufel hatten Teile eines menschlichen Körpers gebraten. Schaudernd vor Übelkeit und mit einem entsetzlichen Verdacht beugte ich mich näher. Nein, diese muskulösen Teile mussten einem Gura-Mann gehört haben, stellte ich aufatmend fest; es konnte nicht Altha sein. Aber nach dieser grausigen Entdeckung verschwendete ich keinerlei Gefühle mehr an die Yagas und ihre blutigen Überreste.
Was aber war mit dem Mädchen geschehen? War sie entkommen und verbarg sich irgendwo in den zerbröckelnden Mauern oder hatten die Schlachter sie mitgeschleppt? Als ich mich suchend nach Spuren umsah in dem Gewirr der geborstenen und umgestürzten Säulen, spürte ich das in den Schatten lauernde Böse wie einen kalten Hauch, spürte den Blick versteckter Augen.
Ich umrundete den Platz und bemerkte auf der anderen Seite Blutspuren, die in eine Säulenhalle führten, einen Irrgarten wie betrunken durcheinander stehender Marmortürme. Vielleicht führten mich diese Spuren zu den Beherrschern dieser Ruinen.
So schlich ich vorsichtig durch die Schatten der riesigen Säulen und kam zu einem zerbröckelnden Kuppelbau; der Mond schickte seine rötlichen Lichtstrahlen durch das geborstene Dach und leere Fensterhöhlen und fleckte den blassen Boden mit rostbraunen Lichtpfützen, die den Schatten noch undurchdringlicher machten. In dem schwachen Schein entdeckte ich jedoch die Öffnung zu einem Gang, und als ich ihm folgte, sah ich auf dem zersprungenen Marmorboden wieder die dunklen Tropfen. Immer finsterer wurde der Gang, und fast fiel ich kopfüber die Stufen hinunter, die an seinem Ende in die Tiefe führten. Vorsichtig tastete ich mich abwärts, erreichte den Boden und zögerte. Es war Wahnsinn, hier weiter in die Finsternis vorzudringen. Schon wollte ich mich zurückwenden, um mir vom Feuer der Yagas eine Fackel zu holen, da ließ mich ein Ruf auf der Stelle erstarren und das Blut wild durch die Adern schießen – durch die Dunkelheit hallte weit entfernt der Schrei: »Esau, Esau Cairn!«
Altha! Das konnte nur Altha sein! Warum strich aber dann ein eisiger Schauder über meinen Rücken? Warum zögerte ich, zu antworten? Die Vorsicht verschloss mir den Mund – Altha konnte doch nicht wissen, dass ich in Hörweite war –, aber vielleicht rief sie einfach, wie ein erschrecktes Kind nach Hilfe ruft, ob nun jemand es hört oder nicht. So schnell ich es wagte, lief ich durch die schwarzen, dumpfriechenden Gewölbe in die Richtung, aus der der Schrei erklungen war.
Meine tastend vorgestreckte Hand traf plötzlich auf eine Türsäule, und ich blieb stehen. Mein Instinkt sagte mir, dass sich in dem Raum dahinter etwas Lebendiges befand. Umsonst mühten sich meine Augen, die Finsternis zu durchdringen. Leise und dringlich flüsterte ich Althas Namen. Sofort glühten zwei gelbe Feuer in der Schwärze auf, die ich erst nach einigen Augenblicken als Augen erkannte. Sie waren handtellergroß und schimmerten böse. Hinter den Augen glaubte ich eine große, formlose Masse zu erkennen, und in diesem Moment packte mich kaltes Entsetzen, ich drehte mich um und rannte weiter. Ich hörte nur noch in dem Raum hinter mir ein schmatzendes Flüstern, als riebe sich ein schwammiger, borstenbewachsener Körper gegen den Stein.
Nach einem Dutzend Schritte blieb ich erneut stehen. Das weite Tunnelgewölbe schien endlos, und ich glaubte, zahlreiche abzweigende Nebentunnel zu bemerken – immer wieder strich ein Luftzug von der Seite her über mich. Wie konnte ich den richtigen Gang finden in dieser Finsternis? Als ich so unentschlossen und ratlos dastand, hallte wieder der Schrei durch das Gewölbe: »Esau! Esau Cairn!«
Ich versuchte, die beklemmende Angst
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