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Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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anscheinend eine Unterlage suchte, kurz zu ihm aufblickte durch ihre
scharfmachende, glitzergrün umrandete und spitze Brille, weil sie seine Blicke
irgendwie spürte, und ihn kurz anlächelte, ihm dabei einen Moment das Glitzern
des kleinen, künstlichen Diamanten, den sie auf ihrem linken Schneidezahn trug,
zeigte. Er lächelte zurück, doch sie war schon wieder in ihren Ordner vertieft,
jedoch sich seines Lächelns bewusst.
    Sie stand auf, ging zu einem Aktenschrank – wie viel sie hier
bei der Polizei doch noch auf Papier und nicht im Computer hatten, da mussten
die Digitalisierer noch eine Menge leisten – sie
hatte schöne Beine, und er durfte sie sehen, sie steckten in weißen
Strumpfhosen, der Rock ihres schwarz-weiß karierten Kostüms war von schön
anzuschauender Länge, ihre Haare hochgesteckt. Das konnte kein Zufall sein, die
Frau wusste, wie sie wirkte, und sie führte ihren Chef, Kommissar Abraham, in
Versuchung.
    Er hatte seine Frau eingebüßt, wie, war ihm nicht ganz klar.
Er hatte schon wenig Zeit für sie gehabt, ein bisschen viel Beruf, ein bisschen
Stammtisch, ein bisschen Sport – er wollte ja nur leben. Sie auch, aber
profaner als er, sie wollte Lust und Fleisch, im Prinzip hatte er dagegen auch
nichts, aber es konnte nicht alles sein in einem menschlichen Leben.
    Sie hatte ihm eröffnet, dass sie ihn verlasse, und
er war nicht wirklich überrascht. Freilich hatte es ihn vor Schmerz schier
zerrissen, aber mehr, weil er sie lieber nach außen weiter besessen hätte, als
dass ihm noch viel an ihr lag. Wenn sie meinte, dass sie ihn nicht mehr
brauchte, konnte sie ihn sein lassen, sie hätten ein Arrangement finden können
unter demselben Dach, viel wollte er auch nicht mehr von ihr. Aber gehen war
blöd, gehen sah so aus, als ob er als Mann nichts taugte. Gehen zu einem
anderen, den es auch gab, machte es noch schlimmer, aus ihm den noch größeren
Versager. Diese Schande tat ihm weh, die Frau eigentlich nicht. Dazu sah er
viel zu gut aus, als dass er diese Freiheit nicht amourös ausfüllen würde.
    Ein bisschen anders war es schon gekommen. Er hatte zunächst
vor allem gesoffen wie ein Weltmeister nach dem Finale. Das war in Ordnung, die
Kollegen akzeptierten das, war schließlich ein Schicksalsschlag, der relativ vorzeichenlos über den Kommissar hereingebrochen war. Den
Damen signalisierte er damit Unbesetztheit.
    Sie hatten einen Sohn, einen Oliver. Der war gerade im besten
Alter von 16, der hatte innerlich ganz schön gelitten, sich aber nichts
anmerken lassen, war cool geworden. Abraham war nicht von allem begeistert, was
er sich an- und mit wem er rumzog , aber insgesamt
bewunderte er die Tapferkeit seines Buben, der, seit seine Mutter sie so allein
gelassen hatte, immer mehr zu einem Kumpel geworden war. Sie waren eine Männer-WG , hatten am Anfang ein paar ungeschickte Versuche
mit der Hausarbeit gebraucht, waren jetzt aber Herren der Lage. Oliver war, das
mochte Abraham gar nicht abstreiten, ein ganz wichtiger Grund, warum es ihm
nicht so beschissen ging, wie es möglich wäre nach allem. Wenn sie auf die Idee
käme, ihn ihm auch noch wegzunehmen, dann hätte sie ihn auf dem Gewissen,
wahrscheinlich. Aber auf die Idee war sie nicht gekommen, sie fühlte sich
lieber wohl in den Armen ihres Neuen, eines Ausländers noch dazu, der sein
wahres Gesicht erst zeigen musste. Auf diese seine große Stunde wartete Abraham
und auf ihr Zurückkriechen, worauf er ihr mit harter Schulter antworten könnte.
Solange würde der Sohn gelegentlich seinen Vater kotzend auf der Toilette vorfinden,
ihm die Haare aus dem Gesicht streichen, den Mund putzen, ihn in den
Schlafanzug stecken und ins Bett helfen. Und der Vater würde dasselbe für
seinen Sohn tun, und die Mutter dürfte von nichts wissen, denn sonst würde ihre
schöne Einsame-Wolf-Zeit vorbei sein, und sie würden wieder Vernunft annehmen
müssen.
    Von Tina wusste er nicht allzu viel, außer dass jeder
männliche Kollege für sie schwärmte. Auch er, aber er hatte sich, als er noch
fest gebunden war, dafür geschämt, der Fremden, die nicht seine war, auf den
Hintern zu schauen. Die Kollegen waren da nicht so streng mit sich, sollten die
machen, was sie wollten. Jetzt durfte auch Abraham ungeniert stieren, jeder
wusste das, selbstverständlich auch Tina, und deshalb konnte es kein Zufall
sein, dass sie ihm noch einen verhuschten Blick schenkte, als sie sich setzte
mit zwei neuen

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