Alpendoener
lachte über die doppelte Fliege.
Er hatte ein Handtuch und einen Haustrainingsanzug
mitgenommen, den er gern anzog, wenn er in den Fernseher schaute – wenn er in
den Fernseher schaute. Der Anzug stank noch nicht, obwohl er ihn zwei Jahre
sicher nicht gewaschen hatte. Er roch schon, er stank halt nicht.
Birne war allein da. Birne wollte eine tolle Frau kennenlernen . Zunächst nur reden, sich höchstens später und
im Idealfall bei einem Ausgehen in eine Freundin von ihr verlieben.
Die wiesen ein, sagten ihm, wie er anfangen sollte, wenn er
noch nie da war, und wie er sich dann steigern sollte. Sie maßen ihm den
Blutdruck.
Die anderen, die noch da waren und nicht so
verloren schauten, die waren auch einmal zum ersten Mal da gewesen, die wussten
doch, was die einem sagten, der zum ersten Mal da war, wie er anfangen sollte
und wie er sich steigern könnte. Für sich sah Birne wie einer aus, der zum
ersten Mal da war, tausend Meter gegen den Wind, ohne dass sein Anzug stank.
Birne gab die Hoffnung auf, hier gleich eine tolle Frau kennenzulernen ,
hier war kein Ort, an dem Verlierer eine Chance bekamen. Zum Verlieren ging man
woanders hin.
Da drüben lachte eine zu ihm herüber, sie musste
ihn auslachen, er passte nicht hierher. Nebenan der Mann, den konnte sie auch
meinen, auch wenn das unwahrscheinlich war und sie dazu ein bisschen hätte
schielen müssen, was er auch nicht glaubte, dass hier eine war, die schielte.
Nebenan der Mann, der steckte in einem blau-metallic-glänzenden Body und hatte seine schwarzen Locken im Zaum mit einem weißen Stirnband. Und
einen Schnauzbart – Birne hasste ja Schnauzbärte und Frauen, die sich von
Schnauzbärten angezogen fühlten. Der Mann wäre zu dick gewesen, wenn er nicht
trainiert hätte. Aber das tat er ja, der Schnauzbart-Mann, trainieren, dass es
krachte, und Birne bekam einen Hassanfall, dass er gar nicht wusste, woher auf
einmal, und hätte aufhören müssen oder seine Energie bündeln und sich gleich
beim ersten Mal richtig steigern. Der Hass kam, und Birne konnte ihn nicht
erklären dadurch, dass die Frau den Mann neben ihm auch hätte meinen können mit
ihrem Grinsen.
Birne warf ihr einen freundlichen Blick zu, und sie schaute
ihn schon längst nicht mehr an, sondern schwitzte und sah ihrem Schweiß zu, wie
er ihr zwischen die Brüste rann. Birne mochte das Wort drall und freute sich,
endlich wieder eine Frau zu sehen, die er wem auch immer mit diesem schönen
Wort hätte beschreiben können. Er starrte sie an und stellte sich eine Freundin
von ihr vor. Er nahm sich vor, den Rhythmus herauszufinden, in dem sie herkam.
Hatte sie einen Tag in der Woche, der reserviert war für den Sport oder
richtete sie sich nach dem Mondkalender? Der Schweiß rann ihr nicht nur in den
Ausschnitt, sondern klebte einen Teil ihrer blonden Locken auch an ihre Stirn,
die über den großen und trotz der Anstrengung nachgeschminkten Augen thronte. Sie hatte ein kräftiges, aber noch kein maskulines Gesicht.
Birne war gespannt auf ihre Freundin, vergaß beinahe, es beim ersten Mal nicht
zu übertreiben, aber die Maschine erzeugte in ihm keine Schmerzen, noch nicht
einmal eine Anstrengung. Sie schaute noch einmal zu ihm – eindeutig zu ihm –
herüber, und sie schaute noch einmal eindeutig zu dem Schnauzbart herüber: Der
Wettkampf war ausgebrochen. Birne fühlte sich mächtig, der Kaffeefleck des
Nachmittags war ihm an diesem Abend nicht anzusehen. Heute war
Leibesertüchtigung. Sie machten alles richtig, alle drei. Die besten zwei von
ihnen würden den Tag als Könige beschließen.
Birne war am
späten Nachmittag heimgekommen, hatte schon gar nicht mehr mit einer Zeitung
gerechnet und auch keine bekommen. Sie war ihm am zweiten Tag in Folge
gestohlen worden. Das passte, Birne hatte nicht mehr mit einem Geschenk des
Schicksals gerechnet und dann, als er sich frisch gemacht hatte nach der
Leibesertüchtigung, auf dem Wartetisch neben dem Wartestuhl in seinem Studio
eine zusammengefaltete, kaum gelesene Allgäuer Zeitung entdeckt. Er hatte sich
gefreut und hingesetzt, war in den Neuigkeiten und Bildern buchstäblich
versunken, hätte gar nicht mehr geglaubt, wie schön so etwas sein konnte, und
das nach nur zwei Tagen, in denen man bestohlen worden war. Beinahe konnte er
den Dieb verstehen. Eine Zeitung ist besser als manches Buch, dachte Birne,
manchmal sogar besser als die Bibel. Er hatte sich vollgesaugt mit
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