Alpendoener
rustikal – ein Gemälde von Mutter Maria, die ihrem Jesuskind an ihrer
Brust zu trinken gab. Ihr Kleid war aus so dünnem hellblauem Stoff, dass man
darunter den Nippel der anderen, der nicht säugenden Brust erkennen konnte. Die
Alten, dachte Birne. Dem Bett gegenüber befand sich ein schwerer Bauernschrank,
neben dem Bett stand ein Nachtkasten. Dessen oberste Schublade öffnete Birne
und fand beim Durchwühlen ein Gotteslob und einige Sterbebilder, alte Bekannte,
die Frau Zulauf vorausgegangen waren, wahrscheinlich alle unter friedlicheren
Bedingungen. Aber kein Geld, kein bares. Aber was hatte Birne erwartet? Drei
Millionen Euro in kleinen, nicht nummerierten Scheinen?
Er bekam nicht die Gelegenheit, die zweite, die untere
Schublade zu öffnen und eventuelle Millionen dort zu entdecken, denn es erklang
ein Geräusch, dem Birne zuerst nicht glauben wollte, und das er für eine
akustische Täuschung halten wollte. Aber so weit konnte selbst er sich nicht
täuschen, ohne als Trottel da zu stehen: Das Geräusch kam von draußen, von der
Tür, und klang nach einem Wohnungsschlüssel, der im Schloss gedreht wurde. Es
kam jemand herein, und Birne war hier in einer fremden Wohnung und hatte seine
Hand auf einem Gotteslob in der Schublade einer Dame.
Birne schloss die Augen und wusste, dass ihm
jetzt was einfallen musste, das er vielleicht noch eine kleine Chance hätte,
ohne tödliche Erklärungen hier rauszukommen . Er
hörte, wie jemand die Tür öffnete, und er hörte die Stimme eines Mannes, der in
die Wohnung kam und sich mit jemandem unterhielt. Er konnte kein Wort
verstehen.
Man konnte, was folgte, für eine dumme Idee halten, die
dümmste vielleicht, die man haben könnte, wenn einem so etwas passierte, was
Birne gerade geschah, das wusste Birne selbst und auch in diesem Moment, aber
er hatte auch keine Zeit zu überlegen und kaum eine Wahl, auch wenn man es von
außen betrachtete: Birne ließ die Schublade offen und stürzte beinahe
geräuschlos zum alten Schrank, riss ihn auf, tauchte in hängende Kleider einer
alten Dame ein, und zog, quasi noch in dieser Bewegung und ohne zu fürchten, da
drinnen ersticken zu können, die Schranktür hinter sich zu. Bevor es dunkel um
ihn wurde, nahm er noch wahr, dass die Stimme, die der ersten antwortete, die
einer Frau war. Das hielt er aus irgendeinem Grund für ein gutes Zeichen.
Es begann eine Zeit des Wartens, die nicht lang sein konnte,
die Birne aber freilich so vorkam. Die anderen in der Wohnung mussten irgendwo,
entweder in der Küche oder im Wohnzimmer sein. Sie hatten wie er einen
Schlüssel, mussten aber nicht unbedingt wie er auf Geld aus sein. Sie könnten
Mörder sein. Dann hätte Birne ein Problem. Er steckte zwischen Frauenkleidern
und starrte auf einen kleinen Spalt, durch den Licht fiel, durch den er nichts
erkennen und hören konnte. Ihn überkam Verzweiflung und er wäre gern ein
Stockwerk höher und allein gewesen, um zu fluchen und zu weinen.
Und diese Verzweiflung war es, die ihm den Trieb in den Kopf
pflanzte, etwas zu unternehmen, die Angst, dass die draußen nie mehr
verschwinden könnten. Oder schon weg waren und er hier seine Nerven grundlos
ruinierte. Er öffnete vorsichtig die Tür und erschrak darüber, dass sie
furchtbar knarrte. Hatte sie das in seiner Eile auch schon getan? War er
bereits verraten? Er stieß sie beherzt auf und tat zwei Schritte zur Tür und
gleich darauf begann sein Herz zu rasen, weil er die Stimmen wieder hörte,
diesmal wie zum Greifen nah vor ihm und jedes Wort verständlich: Die anderen standen
vor der Schlafzimmertür.
»Und was machen wir mit dem da?«, fragte die Frau, und ihr
Akzent verriet ihre Herkunft aus dem Osten.
»Weiß nicht. Sperrmüll, oder?« Das war der Mann.
Dann war es wieder still, eine Ruhe, die Birne nicht genießen
konnte. Er saß in der Falle. Langsam schlich er zurück zum Schrank und rechnete
jeden Moment damit, dass die Zimmertür sich öffnen würde und die beiden ihn
erwischten. Aber dort blieb es still, auch als Birne wieder in sein Loch zurückkroch . Hatten sie ihn gehört? Waren sie jetzt auch
leise, um ihn zu überraschen? War die Frau schon in der Küche und telefonierte
mit der Polizei?
Als Birne seine Tür zuzog, sah er noch, wie sich vorsichtig
die des Zimmers öffnete. Die hatten ihn gehört, die wollten ihn überwältigen.
Er wagte es nicht, seine Tür ganz zu schließen aus Angst, ein Knarren zu
verursachen und er
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