Alpendoener
ließen ihn aufstehen und sich verabschieden, schauten ihn
fest an, wie er die Schlüssel in die Hose schob und sich langsam hinaus.
Benommen trat er an die Sonne und ging zurück. Was hatte er getan? Musste er
den zweiten Schritt gehen? Wem hatte er sich verpflichtet? Hatte er etwas
unterschrieben? Er wusste nicht einmal, ob das so richtig illegal war, was er
da tun sollte. Und während er ging, kam was Neues in seine Nase, das war der
Geruch von Abenteuer. In die Wohnung einer Ermordeten eindringen, in ihren
Resten wühlen – und einen Unschuldigen aus den Ketten einer ungerechten Justiz
eisen.
Birne wurde aufgeregt, er wollte irgendwie gleich
los, er wollte da rein, er wollte was tun. Ihm fiel der Sonntag ein, am Sonntag
hatte er schon was vor, am Sonntag sollte er auf den Berg. Einfach so ging das
nicht. Einerseits war er nicht sonderlich trainiert – er hatte eben erst
angefangen. Das bereitete ihm keine Sorgen, Fettere hatten es auf andere Berge
geschafft. Andrerseits fehlte es ihm an Material. Er brauchte Schuhe, die
Schuhe waren das Wichtigste. Im Prinzip war das in Ordnung. Er wollte raus aus
dieser Stadt in ihre Umgebung, die sich lohnen sollte, wenn man den Menschen
glaubte. Er kam aus einer großen Stadt und hatte gelernt in ihr zu leben, gut
zu leben, jetzt musste er es mit dieser kleinen Stadt aufnehmen. Sie hatte ihre
Reize und ihre Fallen und die Herausforderung war, hier genauso König zu werden
wie anderswo. Ein Scheitern wollte er sich nicht erlauben. Es waren alle
Spießer hier, und wenn es nur zehn Gerechte gab, galt es, sie zu finden.
Diese Mittagspause würde er noch nutzen, sich auszurüsten.
Läden gab es genug. Nur der, in dem man nicht versuchte, ihm Ramsch anzudrehen,
war nicht leicht zu finden.
»Bergsportgeschäft.«
Rucksäcke, Wanderstöcke, ein Zelt, Rucksäcke und Schuhe im
Schaufenster. Keine Frau, die bediente, sondern ein Mann, der ihn ein bisschen
an Werner ohne Bauch oder jünger erinnerte.
»Das sind die besten. Guter Mann, ich geh jeden Tag auf’n
Berg. – Glaubst mir nicht? Kannst mir ruhig glauben.«
»Glaub ich doch.«
»Drücken sie?«
»Kaum.«
»Die musst jetzt einlaufen, dann gehen sie gut. Hast einen
Rucksack?«
Birnes war zu klein, er
musste dem Mann einen neuen abkaufen, der nicht ganz billig war, das nicht,
aber er würde halten die ›nächsten 30 Jahre‹. Dann konnte man es machen. Wenn
man dann 30 Jahre keinen mehr kaufen musste. Kaufte man sich einen nur halb so
guten, musste man in 15 Jahren schon wieder einen neuen kaufen und mit der
Inflation konnte man das nie mehr einsparen. 30 Jahre Ruhe, nie mehr einen
neuen Rucksack kaufen. Geil. Die Trinkflasche gehörte dazu, die war nicht mehr
teuer im Vergleich zum Beispiel zum Regencape, ohne das es bescheuert wäre, auf
einen Berg zu gehen. Das Wetter schlug schnell um in den Bergen, da ging man
los in der Früh bei strahlendem Sonnenschein und schon zwei Stunden später fand
man sich in einem Gewitter wieder, dass man an einen Weltuntergang glauben
konnte. Das wusste Birne, stand ja auch in den Büchern, die sie verlegten,
brauchte man ihm nicht zu erzählen und auch nicht, dass es sakrisch kalt war da
oben um die Jahreszeit jetzt, dass es schneien konnte, teilweise bis auf 700 Meter
runter. Es schneite manchmal auch noch in der Stadt um die Zeit trotz
Klimawandel oder gerade wegen. Hier war man drauf eingestellt, hier kam sofort
der Streudienst, aber auf dem Berg, da konnte es richtig eng werden. Birne
kaufte, kaufte, kaufte. Er spürte keine Erregung, als er das Geld raushaute , er fühlte auch kein Bedauern, das mit dem Geld
berührte ihn kaum, heute Abend konnte er schon mehr davon berühren; die
Menschen, sie halten sich immer so am Materiellen fest, was sie doch nicht mit
ins Grab nehmen konnten. Was wollten sie auch im Grab damit? Was wären das für
Friedhöfe, würde man die Menschen mit ihrem Lieblingsramsch begraben? Natürlich
wäre die Welt dann auch einen Haufen Dreck los.
Birne schleppte schwer zum Büro zurück, aber er war froh
dabei.
»Und wie war’s?«, fragte Alexa mit einem
spitzbübischen Grinsen.
»Weiß nicht, ich bin ein bisschen konfus.«
»Ich hab keinen erreicht.«
»Wie?«
»Na, ich wollt doch Schluss machen und hab dazu angerufen und
dann war keiner da.«
Die hatte er ganz schön auf seine Seite gebracht, die Kleine,
so nah wollte er sie gar nicht dort haben.
»Ich hab dir gesagt, lass es, wart ein
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