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Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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allein, und wäre die Situation nur ein
wenig anders gewesen, Birne hätte es für seinen romantischsten Augenblick seit
Langem halten mögen.
    »Geht’s?«, fragte sie ihn.
    »Geht schon«, antwortete Birne.
    »Was wollten Sie?«
    »Ich bin der Nachbar, ich heiße Birne, ich wollte nach dem
Rechten sehen, ich habe einen Schlüssel, ich bin kein Einbrecher.«
    »Ha. Das können Sie der Polizei erzählen.«
    »Die brauchen wir nicht. Glauben Sie mir, das ist ein Missverständnis.
Ich wollte nicht stehlen.«
    »Versuchen Sie nicht, uns zu täuschen.« Sie klang wieder
nervöser, Birne konnte nur, wenn er sich sehr umständlich verdrehte, sehen, was
sie tat, aber sie hatte das Messer, davon ging er aus, und sie war nervös, er hatte
nicht vor, irgendetwas zu versuchen.
    »Sind Sie die Freundin vom jungen Zulauf?«
    »Bernd? Ja, bin ich.«
    Bernd? Sie sollte Bernd vergessen, ihn losbinden und sich mit
ihm verbarrikadieren, hier in der Wohnung, das mit der Polizei würden sie
regeln.
    »Wie lange schon?«
    »Weiß nicht. Vielleicht zwei Jahre. Was geht Sie das an?«
    »Nichts. Sie halten mich fest, ich will gern wissen, wer mich
festhält.«
    »Sie sind hier eingebrochen.«
    »Bin ich nicht. Ich habe einen Schlüssel, ich wollte sehen,
ob alles in Ordnung…«
    »Sie bluten viel mehr, wenn Sie reden. Das Bett. Bitte sagen
Sie nichts mehr. Sie verbluten das Bett.«
    Birne schwieg. Wenn sie nicht wollte, dass er mit ihr redete,
dann schwieg er eben. Wenn ihr das verschissene Bettzeug wichtiger war als sein
Leben, dann blutete er eben weniger und leise, das konnte er, kein Problem für
ihn, sie hatte das Messer.
    Ihr wurde unwohl von der Stille, das hatte sie davon. »Wenn
Sie wirklich unschuldig sind, dann wird sich das klären, dann gibt es ein
Verhör bei der Polizei, und Sie sind wieder draußen.«
    Birne erwiderte nichts, er hatte keine Lust mehr, Liebe war
sein einziges Verbrechen, Liebe, und jetzt blutete er dafür, Liebe zahlte sich
nicht aus.
    Schritte auf der Treppe. Mehr als eine Person. Aufgestoßene
Türen. Polizisten, die Birne sehr unsanft packten, ihn zu Boden schleuderten,
als hätte er wirklich was angestellt, als ginge wirklich eine Gefahr von ihm
aus. Birne, der all das mit sich geschehen ließ, der resigniert hatte, seine
Liebe dahinschwimmen sah wie einen Eisblock im
Polarmeer, der sah, wie Bernd, der Affe, seine Simone in die Arme nahm, ihr
wieder Trost spendete aus denselben Händen, die ihm gerade Blut beschert
hatten.
    Die zwei Polizisten steckten in grünen Uniformen, waren jung,
nahmen alles noch sehr wichtig und so, wie sie es auf der Polizeischule gelernt
hatten. Es war allerdings nur ein Streifenwagen. In München wären es mindestens
sieben gewesen, dazu Kombis, und nicht nur, wenn er womöglich ein gefährlicher
Mörder gewesen wäre, nein, auch beim Schwarzfahrer, der aufmuckte, oder beim
Fahrradfahrer ohne Licht.
    Birne wurde gefragt, ob er Handschellen wolle oder
lieber keinen Widerstand. Birne entschied sich gegen den Widerstand. Einer, der
Blonde, der fast eine Glatze rasiert hatte, warf ihn auf die Rückbank und
setzte sich neben ihn. Der andere, der hatte fast schwarze Haare und trug diese
länger, saß vorne und lenkte den Wagen. Sie fuhren schweigend. Sie hatten halt
jetzt einen Einbrecher festgenommen, brachten ihn aufs Präsidium, damit die
dort sich um ihn kümmern konnten. Von den Anrufern wollten sie auch nichts mehr
wissen. Was wäre gewesen, wenn die die Einbrecher gewesen wären und er der, der
zu Recht in der Wohnung war? Dann hätten die ihn und die Polizei sauber an der
Nase herumgeführt. Dann hätte Birne allerdings auch einen Aufstand geschoben.
So saß er nur da, sah aus dem Fenster, wie er durch die Stadt gefahren wurde,
und blutete ein bisschen. Er hatte immer noch das Gefühl, kein großes Unrecht
begangen zu haben und nicht viel befürchten zu müssen. So kam er zum ersten
Verhör in seinem eigenen Fall. Immerhin.
    Für diese Jahreszeit unpassend, begann es, draußen unendlich
grau zu werden und nach wenigen Augenblicken zu schneien, als ob der Himmel nur
noch diese eine Möglichkeit hätte, etwas von sich zu geben. Im April. Erst
heute hatte er sich die Schuhe zum Wetter besorgt. Es war, als zögen die Schuhe
das Wetter erst an.
    Im Revier kam es ihm vor, als ob sie ihm eine Show
vorführten. Er musste lange auf einem unbequemen Holzstuhl warten. Ein paar Mal
reklamierte er wegen der Schmerzen. Er verlangte nach

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