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Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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nicht
zögern darf, wenn er wirklich springen will: Er hatte den Schlüssel in das
Schloss gesteckt, und als er passte, war er hineingeschlüpft und hatte sich
schwer schnaufend zwei Minuten an die geschlossene Haustür gelehnt. Er war
drin. Die Tat war praktisch vollbracht.
    Im Hausgang war es dunkel, obwohl es auf der
Straße noch nicht dämmerte. Es roch ähnlich wie beim ersten Mal nach alter
Frau, nur irgendwie unbewohnter. In der Küche tickte eine Uhr, es war still,
Birne hörte Autos auf der Straße. Die Uhr tickte, die Autos fuhren, er war
drin, sein Herz schlug, trotzdem fühlte er sich sicher. Hier war zwei Tage lang
keiner mehr gewesen, wer sollte jetzt kommen? Das war keine Falle. Wie sollten
die Türken wissen, wann er hier eindrang? Er hatte zum Wohnzimmer zu gehen, auf
dem Fernseher stand ein Bild, dahinter eine Keksdose mit Geld, das wäre der
Beweis, damit wäre der Herr Kemal frei; er könnte direkt mit der Dose zur Frau
Kemal gehen und mit ihr zu den Bullen. Die Sache in dieser Wohnung würde keine
zwei Minuten dauern.
    Birnes Augen gewöhnten sich an das
Halblicht, er konnte sehen, dass er auf einen Teppich trat, er konnte einen
kleinen Telefontisch erkennen, der ihm im Weg war, als er den Schrank trug, das
Telefon darauf blieb stumm, vielleicht schon abgemeldet. Birne bewegte sich
langsam und achtete sehr auf den Weg, er wollte nicht fallen, er wollte keine
Geräusche machen. Am Ende des Gangs führte die linke Tür ins Wohnzimmer, da
musste er rein; ein Stockwerk höher lag hinter der Tür das Zimmer, in dem sein
Bett stand. Die rechte Tür führte in die Küche, dorthin wollte er nicht, denn
dort hatte sie gelegen, dort klebten vielleicht noch die Spuren ihres Bluts auf
dem Boden. Birne wusste nicht: War schon jemand, zum Beispiel jener Enkel, da
gewesen und hatte aufgewischt? Wie viel beseitigen die von der Polizei?
    Birne ging zum Ende des Flurs und stand vor der linken Tür,
hinter sich spürte er das Mordzimmer, die Küche, und wagte nicht zu atmen.
Birne öffnete die Tür vorsichtig, seine behandschuhte Hand berührte die Klinke.
Er konnte den Fernseher sehen, das Ticken der Uhr kam aus der Küche hinter ihm,
die Geräusche der Autos vom Fenster des Wohnzimmers vor ihm. Der Fernseher
stand links von ihm in einem Einbauschrank, sein Schrank hatte links einen
Platz gefunden, der Enkel hatte seinen Teil des Jobs erledigt. Darauf stand
eine halb leergetrunkene Flasche Mineralwasser. War
ihr Hals das Letzte, was Frau Zulaufs warme Lippen berührt hatten? Tranken alte
Frauen überhaupt direkt aus Flaschen?
    Auf dem Fernseher lag noch die weiße Häkeldecke, darauf
standen noch zahlreiche Bilder mit Momenten der Vergangenheit, aber nur eines
mit einem kleinen Jungen, der blond, stolz und rotbäckig eine Schultüte mit aufgesticktem Teddybären hielt, und dahinter stand auch nur
eine Keksdose mit aufgedruckten Weihnachtsmotiven. Birne schätzte, ohne eine
Ahnung zu haben, russisch vom Stil her. Er war am Ende seiner Reise. Er rückte
das Bild zur Seite, es klappte dabei zusammen. Birne fluchte und brachte es in
seiner plötzlichen Aufregung nicht mehr zum Stehen, Birne fluchte noch mal
flüsternd und ließ es dann sein. Er griff sich die Keksdose und wäre um ein
Haar schon aus dem Wohnzimmer gerannt, als ihm einfiel, dass er zur Sicherheit
schauen sollte, ob was drin war, damit der Weg nicht umsonst gewesen war. Sie
fühlte sich leer an, und sie war leer, als er reinschaute. Scheiße!
    Doch Raubmord? Kannte Frau Kemal ihren Mann nicht richtig?
Sollte er ihr das sagen und sich dann eineinhalb Stunden überreden lassen, noch
mal einzudringen und erneut zu suchen? Frauen waren misstrauisch. Die Welt
wurde für sie Tag für Tag feindlicher, sie selbst immer schwächer, die Betrüger
und Verbrecher immer dreister. Sie hatte das Versteck gewechselt, hatte einen
sichereren Ort gesucht und hätte ihn Frau Kemal verraten an einem dieser Tage,
wäre ihr nicht ein Messer in die Brust gefahren.
    Birne fand, dass es gescheiter wäre, wenn er weitersuchte,
wenn er noch einen Versuch unternahm, bevor er es für heute sein ließe und mit
Frau Kemal noch einmal alles reflektierte.
    Birne beschloss, im Schlafzimmer zu suchen. Wieso nicht? Das
Bett war kurz, aber für zwei. Dunkles schweres Holz, Bauernmöbel. Gut, dachte
Birne, dass er das nicht hatte reintragen müssen. Die
Kissen waren weiß bezogen, das Bett gemacht. Über dem Bett hing – ebenfalls
sehr

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