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Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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einem Aspirin, das ihm
irgendwann auch gegeben wurde, damit er still war. Er verlangte daraufhin einen
Arzt, und weil er ignoriert wurde, einen Anruf bei seinem Anwalt, was ebenfalls
still übergangen wurde. Dann wartete er geduldig, da er hoffte durch sein
Mitspielen den Vorgang beschleunigen zu können. Sie ließen ihn dennoch relativ
lange mit seinen Wunden sitzen. Einige davon waren Platzwunden und hörten auch
die lange Zeit über nur unwesentlich auf zu bluten. Birne überlegte sich, eine
Ohnmacht vorzutäuschen, und musste dann lachen, als er weiterdachte, ob es
nicht besser und wirkungsvoller wäre, eine Marienerscheinung zu simulieren.
    Als ihn endlich der muffige Beamte hereinbat, war bereits
eine Dreiviertelstunde vergangen. Er ließ sich Birnes Personalien herunterbeten. Birne war kooperativ und dachte: Zwischen hier und
Bananenstaat sind es nur drei Kilometer.
    Wieder warten, wieder keine Antworten auf Fragen. Birne
überlegte, ob er aufs Klo gehen sollte, dann kam ein großer Moment, an sich ein
kleiner, aber für diesen Tag etwas Gewaltiges: Er wurde hereingebeten zum
Kommissar.

     
    *

     
    Arschlöcher. Alles Arschlöcher, da oben, an
ihren fetten Schreibtischen, Arschlöcher. Das war ihm jung mal passiert, ganz
jung, und seitdem nicht mehr. Unerhört. Der eine Arm des Gesetzes hielt den
anderen fest, wenn er nicht aufpasste, haute er ihn ab, der eine den anderen.
    Bruno Abraham hatte keine Lust mehr auf den Mord, er hatte
einen Verdächtigen verhaftet, er hatte noch kein Geständnis, aber er hatte
Beweise, die den Mann in der Zelle durchdringen würden wie ein Bohrer, der sich
durch eine Maus schob. Er hatte seine Arbeit für erledigt gehalten, die Akte
heute Vormittag, noch nach Hustenbonbons riechend, unterschrieben und geschlossen
und an die Staatsanwaltschaft in Kopie weitergegeben, sodass die damit anfangen
konnten, was sie wollten. Und irgendeiner von den Arschlöchern hatte dort auf
die Gelegenheit gelauert, ihm das Bein vollzupissen ,
denn als er und Trimalchio vom Mittagessen
wiederkamen, lag eine Notiz auf seinem Schreibtisch, eine Notiz mit Tinas
traumhaft-eleganter Schulmädchen-Handschrift. Er solle kurz drüben in der
Staatsanwaltschaft anrufen, man bitte um Rücksprache. Es ging um den Mord, den
er so lehrbuchhaft innerhalb einer Arbeitswoche
seiner Klärung zugeführt hatte.
    Was er beim Rückruf zu hören bekam vom Arschloch am anderen
Ende der Leitung, war nicht schmeichelhaft. Man warf ihm vor, ein Dilettant zu
sein, alles zu verstümpern, was ein Polizist falsch machen könne. Im ganzen Akt
sei von drei Verhören die Rede, alle Beweise, die er im Moment habe, stützten
sich auf Fingerabdrücke, er habe nicht einmal gewartet, bis die im Labor fertig
gewesen seien, wo doch in der modernen Kriminalistik die DNA das A und O sei. Er
habe den Deckel auf das oberste Blatt fallen lassen, bevor die eigentliche
Arbeit angefangen habe.
    »Ich meine, Sie haben kein Geständnis aus Ihrem Mann kitzeln
können. Das ist kein Verhör, was Sie da geführt haben – das ist höchstens ein
Pseudoverhör. Wenn wir so vor Gericht treten mit Ihren Beweisen aus Papier und
Mehl, dann ist das je nach Richter wie eine Münze zu werfen. Bei Kopf sind wir
durch und Ihr Mann hinter Gittern« – der Staatsanwalt sagte dauernd ›Ihr Mann‹,
und Abraham fand es blöd, warum sollte es sein Mann sein – »und bei Zahl haben
wir verloren, die Justiz einen ihrer schwarzen Tage und Kempten einen Mörder
mehr auf freiem Fuß – wir müssen warten, bis ihm danach ist, wieder zu töten –
welch Armutszeugnis.«
    Bruno Abraham schluckte, statt zu antworten, ihm
war schlecht, er wollte kotzen, sein Vortagesrausch wich einem Kater, der kein
kleineres Arschloch war als das, das er gerade am Telefon hatte. Er hatte zum
Mittagessen in einer Stehmetzgerei mit Trimalchio eine Schweinshaxe, eine recht fette, zu sich genommen in der Hoffnung, dass sie
ihn von seiner Magenrebellion befreie oder ihn ein Herzinfarkt ganz dahinraffe.
Nichts davon war eingetreten. Er saß mit seinem Elend am Schreibtisch,
telefonierte und betrachtete seinen Zustand als eine Art Strafe für seine
verkorkste Existenz und fand es auf mysteriöse Weise auf einmal irgendwie in
Ordnung.
    Das Schweigen auf der Seite Abrahams bewirkte, dass die
Stimme des Arschlochs entspannter wurde, und sie davon sprach, dass er das
verstehen müsse. »Wir gehen wie Sie davon aus, dass Sie den richtigen Mann

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