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Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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weil er immer überlegen musste, was die anderen damit meinten
und damit die Zeit mit Überlegen wieder einbüßte, die er sich selbst mühsam
gewonnen hatte durch das Verwenden von Abkürzungen. MTA.
    »Was ist MTA?«
    »Medizinisch-technische Assistentin.«
    »Ach so. Und da arbeitest du jetzt auch?«
    »Ja.«
    »Klinikum? Labor und so?«
    »Genau. – Und du? Was machst du so? Außer in fremden
Wohnungen wühlen?« Sie lachte dabei, und das bedeutete, dass sie ihm verziehen
hatte, was Birne gut fand. Er hatte sich zu etwas Albernem hinreißen lassen und
hatte dafür das Rendezvous mit dieser wunderbaren Frau geerntet. Birne erzählte
ungern von sich, wenn sein Leben so wenig aufregend war wie zurzeit; er ließ
sich mühsam rausziehen, was er hier trieb, was er vorher in München gemacht
hatte. Dass er hier war, weil ihm diese Stadt wegen einer anderen Frau zu klein
geworden war, verschwieg er.
    »Bist du da in einem Labor?«, wiederholte der wildfremde Mann Birnes Frage an Simone. Er hatte halb zugehört und
halb nicht, wollte aber auf jeden Fall in ihr Gespräch eindringen. Warum? War
er einsam? Wahrscheinlich. Birne war überfordert. Hätte ihm jetzt gerne eine reingesemmelt , um Simone zu beeindrucken. Sie sagte: »Ja.«
Und der Mann darauf: »Aha.«
    »Was machst du da?«, wollte Birne wissen.
    »Untersuchungen.«
    Der Fremde lachte, lachte, als ob er gefragt werden wollte,
warum er lachte.
    »Warum lachen Sie?«, fragte Birne.
    »Sag du«, sagte der Mann.
    »Du.«
    »Was sollen sie sonst machen im Labor? Untersuchungen halt.
Ich bau doch auch keine Kegelbahn, damit die Besucher dann drauf Schach
spielen.« Klar. Simone lachte laut. »Entschuldigung.« Hand vor den Mund, böser
Blick von Herrn Birne.
    Jetzt Gelegenheit für den Mann für
Lebensgeschichte: »War auch mal in einem Labor, hat mir nicht gefallen,
wirklich nicht. Ich brauch was anderes, bin dann raus auf die Straße – im
wörtlichen Sinn: Ich wurde Kraftfahrer. Ich weiß nicht, wie alt ihr mich
schätzt – ihr seid ja noch jung – aber ich habe nun 25 Jahre auf dem Bock
eines Schleppers verbracht. Dann war das auch Scheiße wegen dem Kreuz und so
und immer dasselbe hirnlose Gelaber aus dem Radio, ganz egal, ob Bayern 1 oder
Antenne, immer dasselbe und die Lieder, ich sag’s euch, kein Cash, immer nur
Retortengruppen, vom Bohlen gecastet , von RTL über
einen Sommer verheizt und du sitzt und fährst und denkst: Mit dieser Musik
wirst auch du verheizt, ruinierst dich für irgendeinen Spediteur, der für einen
anderen Unternehmer Vieh durch die Gegend transportierten lässt, eine auf den
Deckel bekommt, wenn ihm eine Henne verreckt und dieselbe bekommst du auch auf
den Deckel mit dem Ergebnis, dass du eine Nacht mehr eine Stunde weniger schläfst,
dich für den Kapitalisten aufbrauchst. Nein, hab ich mir gesagt, wann soll das
System denn zusammenbrechen, wenn du nicht aussteigst. An dir ist es, geh da
raus aus dem System.« Jetzt zupfte er Simone am Ärmel und die sah aus, als
hätte sie im Augenblick unterschrieben, hätte er ihr einen Zettel hingehalten,
auf dem stand: »Ich steig aus aus dem System.« Aber
wohin steigen wir aus? Wovon sollen wir dann leben? Wer bezahlt uns das Nutella
aufs Brot und wer uns das Brot?
    »Was machst du dann jetzt?«, fragte Birne
    »Wie, was mach ich jetzt? Ich sitz mit euch hier und red.«
    Simone lachte.
    »Wovon lebst du?«
    »Von Luft und Liebe. Liebe. Für euch ist das immer so
entscheidend: Wer du bist, ist definiert durch das, was dir das Geld bringt. Du
isst kein Geld, du bist nicht dein Geld, Alter. Kapier das.«
    Endlich Simone: »Aber wenn gar keiner mehr arbeitet, dann gibts auch nichts mehr, das ist doch dann auch blöd.
Vielleicht müssen wir weniger arbeiten und das Leben mehr genießen, das ist
richtig, aber ganz auszusteigen, können wir uns auch nicht leisten.«
    »Ich rede doch auch nicht davon, nicht mehr zu arbeiten, ich
meine, Arbeiten ist gut, wenn es einen Nutzen bringt – ich meine dir und
jenseits vom Geldbeutel. Ich kann mit meinen Händen so viel vollbringen: Wozu soll
ich in ein Arschloch-Möbelhaus fahren, wenn ich mir meinen Schrank, meine Küche
selbst zimmern kann? Damit die ihrem fetten Ottfried Fischer ihre Werbung
zahlen können? Damit der noch mehr fressen kann. Wozu brauch ich einen
Supermarkt, wenn ich mir meine Kuh, mein Schaf, mein Huhn selbst halten kann?
Burger King? McDonald’s ? Kentucky Fried Chicken? Subway ? Wusstest

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