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Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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du, dass die für die schicken
Markenklamotten, die ihr bei H&M kauft, in China Kinder zum Teil 18 Stunden
am Tag schuften lassen ohne Feiertag, ohne Urlaub, für 1,80 Euro am Tag? Die
sind glücklich. Du fragst dich, wie kann man da glücklich sein darüber, über
zehn Cent in der Stunde? Aber in China sind selbst 1,80 am Tag ein Haufen Geld
und die ernähren damit ihre Familien auf dem Land. Da haben sie nämlich noch
viel weniger, im Prinzip gar nichts und weißt du warum: Die haben ihre Hühner
schlachten müssen, ihre Hühner, von denen sie gelebt haben: Fleisch, Eier,
Federn – praktisch alles haben die verarbeitet, den Kot zum Hausbau und so weiter
und dann mussten sie sie schlachten. Wieso? Wegen uns. Wegen dem Westen, weil
wir behauptet haben, da kommt die Vogelgrippe her, davon müssen wir alle
sterben. Aber Pfeifendeckel: Die haben Angst hier, dass sie ihre Hühner nicht
mehr verkaufen können und deswegen, wegen unseren deutschen Hühnern, müssen in
China die Menschen verhungern oder sich ausbeuten lassen. Was ist das für eine
Wahl?«
    »Das ist ja entsetzlich«, meinte Simone.
    Entsetzlich fand das auch Birne und bot sich an, für Simone
und sich neues Bier zu besorgen. Simone hatte im Schock über die furchtbaren
Zustände anderswo schier vergessen zu trinken, wollte nichts Neues, Birne
dagegen hatte fast schon manisch getrunken, um einen Moment wegzukommen, an die
Theke zu kommen zu anderen Menschen. Der Fremde hatte leer, bat Birne, ihm
ebenfalls ein neues Helles zukommen zu lassen. Er zog eine Tabaktüte heraus,
drehte sich eine extrem dünne und harte Kippe und bot Simone ebenfalls an. Die
lehnte ab, weil sie erstens nicht rauche, zweitens nicht drehen könne. Der
Fremde übernahm den zweiten Part für sie, sie musste nur noch rauchen. Birne
rauchte auch, selbstverständlich nur innerlich.
    Das dünne Mädchen mit der blassen Haut und den schwarzen
Haaren am Ausschank war ungeheuer freundlich, Birne gefiel sie außerordentlich,
optisch und wahrscheinlich auch seelisch das Gegenstück zu Simone. Er wollte
mit ihr mehr reden als »Was kriegst du?« und »Zwei Helle, oder halt: ein
Dunkles, weil heute Beerdigung war.«
    Sie bückte sich, holte die Flaschen aus dem Kühlschrank,
Birne dachte: Simone hat einen Freund, für den bin ich der andere Mann, ich
habe gar kein Recht eifersüchtig zu sein. In 666 von 667 Fällen wird dir eine
Frau, die du einem andern ausspannst, auch wieder ausgespannt. Ich habe gar
kein Recht, mich in Simone zu verlieben, schon allein, um mich zu schonen und
weil ein Mensch niemals das Eigentum oder auch nur der Besitz eines anderen
sein kann oder darf. Wo kämen wir denn da hin? Nach China?
    »Hat euch der Künstler erwischt?«, fragte das Mädchen, das
Birne Bier reichte.
    »Der Künstler?«, fragte Birne und wähnte sich im Gespräch.
    »Ja. Der stellt aus, oben im ersten Stock. Habt ihr euch das
noch nicht angeschaut? Schaut das lieber an, ist vielleicht besser, als ihm
zuzuhören.«
    »Sicher.«
    »Kostet auch nichts – wenn ihr nichts kauft.«
    »Klar. Danke.«
    »Stell dir vor: Er ist Künstler, er stellt hier aus«, teilte
Simone Birne mit, als er zum Platz zurückkam, klopfte dabei auf seine Schulter,
was ihr möglich war, weil sie sich neben ihn gesetzt hatte.
    Der Mann nickte und sagte: »Hast du mir ein Dunkles
mitgebracht? Das ist nett, das trink ich auch gern.«
    »Das Dunkle ist für mich, ich hab einen Anlass, das Helle
kostet 2,50. Bitte.«
    »Nachher. Ich muss wechseln. Aber war mir klar, dass du als
Erstes übers Geld reden würdest, wenn du zurückkommst, war mir klar.«
    »Du hast mir ja nichts von deiner Kunst gesagt.«
    Simone forderte mehr, als sie bat: »Oh bitte, lass uns nach
oben gehen.«
    Sie gingen nach oben und vergaßen dabei ihre Bierflaschen
nicht.
    Zwei Räume oben für die Kunst.
    Da hingen Bilder und in der Mitte standen Skulpturen.
    »Sind die alle von dir?«, fragte Birne, der froh war, nicht
aufrichtig beeindruckt zu sein. Schwarze Strichmännchen oder -Mädchen vor
verkrakelten Bäumen, an denen statt Blätter etwas hing, das getrocknete Scheiße
hätte sein können.
    »Das ist meine Klima-Serie.«
    »Interessant.«
    Simone meldete sich von einem der Bilder: »Willst du dafür
wirklich 2.000 Euro?«
    »Klar. Aber den Preis mach nicht ich.«
    »Nicht du?«
    »Nein, das macht der Faktor.«
    »Der Faktor?«
    »Jeder von uns Künstlern hat einen Faktor, der hängt davon
ab, wo wir, wenn wir

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