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Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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strampelt er sich dann halb besinnungslos und
kommt als besserer Mensch wieder.«
    »Auch dieses Wochenende? Obwohl heute Beerdigung war?«
    »So was berührt den nicht, der glaubt an nichts und ist stolz
drauf. Der wollte mal raus aus diesem Scheiß, sagt er. Dauernd will der raus,
der ist mehr raus als drin. Als ich vorhin heimkam, hat er seine Sachen gepackt
und ist los, damit er morgen früh gleich radeln kann. Wie geistesgestört.
Können wir jetzt aufhören, von Bernd zu reden? Das ist unser Abend, okay?«
    Birne hatte nichts dagegen. Ihr Abend wurde ein schöner
Abend, so wie Birne davon geträumt hatte, sie tranken Bier im Künstlerhaus, aus
dem sie um elf zu seiner Verwunderung geschmissen wurden.
    »Die müssen schließen wegen der Anwohner«, erklärte Simone.
    »Schade eigentlich.«
    »Ja, aber wir müssen noch nicht aufhören, oder?«
    »Niemals. Weißt du noch was Nettes?«
    Sie gingen ein paar 100 Meter an der Stadtmauer entlang und
kamen an den ›Ritterkeller‹, der von außen sehr bürgerlich wirkte. Die Musik,
die ihnen entgegen scholl, klang allerdings nach Punkrock und sehr einladend.
Drinnen gab es ein Gewölbe, im hinteren Teil spielten sie Billard, an den
Wänden hingen Bierwerbungen. Die Ramones liefen,
alles war versoffener hier, gemütlich. Hier wollte Birne bleiben. Das Bier
musste man sich wieder an der Theke holen, sie wechselten sich inzwischen ab.
Birne war dran und konnte aus 38 verschiedenen Sorten wählen. Er entschied sich
für ein Münchner Augustiner, denn wie oft, wo die Auswahl groß war, war sie im
Endeffekt sehr bescheiden.
    »Nett hier«, fand er.
    »Ja, und hier können wir bleiben, bis wir nicht mehr können.«
    »Gut.«
    Mit dem Bier war auch ihr Gespräch ins Fließen gekommen. Sie
hatten sich eine Menge von den Dingen anvertraut, die man ausschließlich
Wildfremden in Kneipen erzählt, die man danach nie wieder zu Gesicht bekommt.
Aber danach sah es im Moment nicht aus. Es sah eher danach aus, als ob sie sich
noch öfter ins Gesicht bekämen und nicht nur ins Gesicht.
    »Birne, ich bin froh, dich kennengelernt zu haben, ehrlich«, sagte sie schon etwas lallend. »Mit dir kann man echt gut
reden.«
    »Ich kann nicht mit jedem gut reden – mit dir kann ich gut
reden.«
    »Oh danke«, sie umarmte ihn inmitten dieser Leute hier zu den Misfits aus den Boxen.
    Sie lagen eine Weile Schulter an Schulter und vergaßen das
Bier und den Rauch um sich. Ja, sie waren betrunken, aber es war noch für
nichts zu spät. Simone löste sich von Birne und wurde auf einmal ernst, schaute
ihm ins Auge und dann auf ihre Bierflasche, in der noch vier Zentimeter
lauwarmes Bier lagen.
    »Ist was?«, fragte Birne und biss sich auf die Zunge aus
Angst, mit dieser einen dummen Frage alles verspielt zu haben, sie gezwungen zu
haben, an Bernd zu denken, ihn zu erwähnen und Birne klar zu machen, dass das
so einfach nicht sei, dass die Jahre zusammen nicht in einer lustigen
Trinknacht entwertet werden dürften.
    »Nein, nichts«, sagte sie und schaute ihn immer noch nicht
an.
    »Willst du noch mal eins?«
    »Nein danke. Ich denke, ich werde langsam
betrunken.« Wie von einem melancholischen Gedanken gestochen, stand sie auf und
ging abrupt nach draußen. Birne wundert sich kurz und folgte ihr, fand sie vor
der Kneipe unter einer Straßenlaterne stehend – sie hatte ihn erwartet.
    »Was ist?«
    »Ich hab dir doch gesagt, dass nichts ist. Ich bin ein
bisschen angesoffen. Mehr nicht.« Sie ging langsam den Berg nach oben, zurück
zum Zentrum.
    »Das glaub ich dir nicht.«
    Sie drehte sich um und zeigte Birne die Tränen, die sie in
den Augen hatte und die ersten, die sich auf dem Weg ihre Wange hinab befanden.
    Birne sagte: »Das wollte ich nicht.«
    »Das hat nichts mit dir zu tun, das geht dich nicht einmal
was an.«
    Jetzt war die Zeit, das spürte Birne, in der er sie trösten
konnte. Er ging auf sie zu und nahm sie in den Arm, hielt sie fest an sich
gedrückt und zog schließlich nach zwei Minuten ihr Gesicht nach oben an seines,
um sie zu küssen, doch sie wehrte sich: »Bitte.«
    »Ist okay.«
    »Nichts ist okay.« Sie drückte ihr Gesicht fest an seine
Schulter. Er strich ihr übers blonde Haar und fand nicht, dass gar nichts okay
war.
    Sie riss ihren Kopf hoch und sagte nun sehr vehement, nachdem
sie all den nötigen Mut gefasst hatte: »Eigentlich sollte ich es dir nicht
erzählen.«
    »Was denn?«
    Sie schluckte, nahm Anlauf: »Mein Freund, der

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