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Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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studiert haben, wo wir ausstellen, wie wir verkaufen und
der wird dann multipliziert.«
    »Womit?«
    »Mit den Maßen des Bildes.«
    »Hammer. Aber dann ist ja der der Depp, der kleine Bilder
malt.«
    »Das kann man so sagen, aber manchmal wirkt es auf einer
Postkarte einfach besser.«
    »Was?«
    »Die Aussage.«
    »Ach so.«
    »Und das Tolle ist, dass das international anerkannt ist.
Zeig mir ein Bild in einer Ausstellung in Schanghai, Beijing oder Mumbai , sag mir die Maße und den Preis und ich kann dir den
Wert eines Künstlers sagen.«
    »Seinen Faktor.«
    »Genau.«
    »Verkaufst du gut?«
    »Darauf kommt es doch nicht an. Ich sag immer, wenn die
Menschen das sehen und dann in ihnen was losgeht, sie versuchen, nur ein paar
Minuten am Tag anders zu leben, als sie es jetzt tun, dann hab ich schon was
bewirkt. Und natürlich sehen es mehr Menschen hier, als wenn die Bilder in
irgendeinem Wohnzimmer hingen.«
    »Wie rechnet man denn deine Skulpturen ab?«, fragte Birne
dazwischen.
    »Auch mit dem Faktor. Natürlich ist das etwas komplizierter
oder auch einfacher: Die dritte Dimension wird nicht mitmultipliziert.«
    »Dann bist du ja ein Depp, wenn du in der arbeitest.«
    »Darum geht es doch gar nicht. Es geht um die Wirkung.«
    »Ach so. Welche Wirkung?«
    »Na, du sollst endlich anfangen, anders zu leben. Am Anfang
nur fünf Minuten am Tag, dann zehn, so nach einer Woche, wenn du eingesehen
hast, dass es gut für dich ist, dann immer mehr, 20 in der Woche drauf, dann 40
und so weiter.«
    »Immer das Doppelte.«
    »Genau.«
    »Und was genau«, erkundigte sich Birne, »könnte ich anders
machen, die fünf Minuten am Tag?«
    Anstatt ihm gleich zu antworten, wühlte der Künstlermann in
einer Herrenhandtasche, die der umhängen hatte, und zog einen etwas
zerknitterten Flyer heraus. »Da!«
    Birne nahm das Papier und empfing eine Einladung zu einem
Vortrag nächste Woche, bei dem er und alle anderen, die möglichst zahlreich
erscheinen sollten, über die Gefahren von Handystrahlen aufgeklärt werden
sollten: Kopfweh, Schlaflosigkeit, Erbrechen, schrecklicher Krebs.
    »Hast du ein Handy?«, fragte der Künstler.
    »Hab ich«, antwortete Birne selbstbewusst.
    »Schlecht.«
    »Warum?
    »Macht dich kaputt und noch schlimmer, weil du im Prinzip mit
dir leider machen kannst, was du willst: die in deiner Umgebung auch.«
    »Und jetzt soll ich es ausschalten, diese Woche fünf Minuten,
nächste Woche zehn und so weiter, bis 24 Stunden voll sind.«
    » Wär doch schön.«
    »Nur weil ich deine Bilder gesehen habe.«
    »Zum Beispiel.«
    »Was aber ist, wenn ein Freund von mir in Gefahr
gerät, mich erreichen will, damit ich ihn aus der Patsche ziehe und ich gerade
meine fünf, respektive nächste Woche meine zehn Minuten habe? Dann ist er in
dem Moment den Abgrund hinabgestürzt, in dem ich wieder erreichbar wäre.«
    Jetzt begann der andere zu lachen, Birne lauthals
auszulachen, so direkt, dass es Birne richtig unangenehm wurde – er wollte
in diesem Augenblick weg sein.
    »Woher willst du denn einen Freund haben, der hier in Gefahr
gerät? So in Gefahr gerät, dass er dich braucht? Du bist hier nicht im Wilden
Westen, du bist im Allgäu und hier passiert niemand was, außer er tut sich’s
selbst an. Aber auf dich selbst musst du aufpassen können, das nimmt dir keiner
ab. N’Abend !« Er flitzte auf zwei, ein junges
Pärchen, das gerade die Treppe hochkam, zu. Er reichte ihnen Flyer und stellte sich ihnen für Fragen zur Verfügung.
Birne war entlassen und erlöst.
    Simone stand vertieft vor den Bildern, nicht weil sie sie so
toll fand, sondern weil ihr Birnes Disput mit dem
Maler peinlich war.
    »Was ist, gehen wir wieder runter?«
    »Gern.«
    Ihr Tisch war besetzt, sie fanden schnell einen neuen, einen,
der mit ihnen dann voll war, damit nie wieder einer zu ihnen stoßen konnte.
    »Verrückter Kerl«, stellt Birne fest.
    »Künstler halt. Das ist sein Haus hier, da müssen wir das
schlucken.«
    »Wie fandest du die Bilder?«
    »Deprimierend, aber schön.«
    »Meinst du, das war echte Scheiße, was da an den Bäumen
hing?«
    »Er arbeitet dreidimensional, wieso nicht?«
    Jetzt lachten sie beide erleichtert auf. Die Welt schien in
Ordnung zu sein, so weit es ihr zurzeit möglich war.
    »Was macht eigentlich dein Freund heute Abend?«
    »Ach, der ist in den Urlaub gefahren.«
    »Urlaub? Ohne dich?«
    »Radfahren, macht der dauernd übers Wochenende
nach Italien oder Südtirol, dort

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