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Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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zwei Stunden noch sein Chef war, und seine Schnepfe, die
ihn auf der Messe sexuell gefangen hatte, ihm nichts anhaben können. So
lächerlich kam es ihm auf einmal vor, wie billig sich diese Frauen hergeben,
nur um zwei, drei Euro am Tag mehr zu haben. Ein widerliches, ein niedriges
Spiel, auf das er keine Lust mehr hatte, das er fortan lieber den anderen
überlassen wollte. Zwei, drei Euro mehr am Tag, auf die Jahre gerechnet mit
Inflation.
    Da fiel ihm das Geld wieder ein und dass ihm die Sicherheit
nun flöten gegangen war. Er ging zu seinem Küchentisch, holte die Kohle der
alten Frau und zählte 15.000 Euro. Das war in einem Leben zusammengekommen. Ihm
würde es eine Weile reichen. Die Zeit könnte er nutzen, seinen Weg neu
auszuwürfeln. Das Geld vor ihm hatte etwas ungemein Tröstendes.
    Da fiel ihm die SMS wieder ein, die er bekommen hatte und von
der er behauptet hatte, dass sie unwichtig sei. Das war sie nicht, sie war mit
ihren wenigen Worten vielleicht schicksalsentscheidend .
Sie war von Simone und lautete: » Sorry wegen gestern,
war zu groggy, heute Abend Künstlerhaus? Acht Uhr?«
    Birne schaute lange auf die Dioden und wusste angesichts der
Lage, in der er steckte, nicht, was er davon halten sollte. Er hatte was quasi
Kriminelles riskiert, um ihr den Kopf zu retten, er hatte mehr getan, als er
bisher für Liebe getan hatte, und sie war zu groggy gewesen. Albern. Wenn er es
sich jemals erlaubte, zu groggy zu sein, stünde er längst inmitten von Nichts
und wäre zu einem Nichts geworden, nahm er sich vor. Er hatte seinen Job heute
verloren. Er schrieb ihr zurück, er rief sie nicht an, er schrieb sofort, und
er schrieb ihr, dass er kommen werde und eine Überraschung für sie habe. Die
Überraschung wäre das Geld, und wenn sie nur kurz nachdachte, wüsste sie, dass
das die Überraschung war.
    Sie schrieb wiederum nicht sofort zurück, und er
bereute, dass er so schnell und so devot geantwortet hatte.
    Dann lag der Resttag vor ihm wie ein Berg. Er hatte Angst,
dass ihm langweilig werden könnte und dass dann Fernsehen allein zu klein sein könnte.
Die heutige Zeitung war öd. Es passierte da draußen, außerhalb seines Planeten,
nichts.
    Den Kontakt mit Alexa verbot er sich selbst. Was da
tatsächlich passiert war, wollte er nicht wissen. Er hatte ihr Angebot
abgewiesen. Sie war zum Chef gerannt und hatte behauptet, sie habe ihn
vergewaltigt, es zumindest versucht. Das war eine Version. Die war absurd. Wenn
sie wahr war, würde das Mädchen dabei bleiben und letztlich würde es als
Wahrheit durchgehen, da hatte er keine Chance, da konnte er schreien, soviel er
wollte, da war es gescheiter, den Mund ganz zu halten. In der anderen Version
hatte sich der Chef die Geschichte allein ausgedacht und Alexa wäre entsetzt
und würde alles abstreiten, ihm empfehlen zur Polizei zu gehen und vors
Arbeitsgericht; das konnte sich Birne an einem anderen Tag auch anhören, darauf
hatte er heute keine Lust.

     
    Es gibt in Kempten ein Schwimmbad, das heißt › Campomare ‹. Dorthin fuhr er mit dem Bus, nahm sich zehn
Euro aus seiner Beute und legte sich den Nachmittag in das lauwarme Wasser und
schaute Teenager-Mädchen auf ihre knospenden Körper. Auch das hatte etwas
verdammt Tröstendes, auch wenn es Birne hochpeinlich gewesen wäre, irgendeinem
zu schildern, was in ihm vorging, während er spannte, und warum er tat, was er
tat, an diesem Tag null der Geworfenheit.
    Er trocknete sich den Leib ab und fuhr nach Hause. Er zog
sich etwas Schönes an und schaute dann auf die Uhr, damit er nicht zu früh zum
Treffen mit Simone aufbrach. Er wollte ihr das Gefühl geben, dass er nicht den
ganzen Weg allein laufen würde zwischen ihnen, dass auch sie noch ein paar
Meter zu gehen hatte, um ihn endgültig in die Arme zu schließen.

     
    Im Künstlerhaus, in dem er kurz nach acht ankam,
passierte eine Reihe von merkwürdigen Ereignissen: Simone war nicht da. Birne
sah nicht ein, warum er, nur um nicht als Erster da gewesen zu sein und
gewartet zu haben, das Lokal wieder verlassen und hirnlose Runden durch die
Fußgängerzone hätte ziehen sollen. Er bestellte sich an der Theke selbstbewusst
ein Bier in der Flasche.
    Der Gastraum hatte zwei Säulen, sodass man nicht sofort sah,
wer alles noch da war, wenn man nicht ausführlich schaute. Und als er jetzt
stand und auf seine Halbe wartete und seinen Blick wandern ließ, ob er nicht am
Anfang Simone übersehen hatte,

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