Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
Vom Netzwerk:
bemerkte er mit Entsetzen, dass sich Fräulein
Müller hier befand und ihn schon gesehen hatte – sie schaute so demonstrativ
weg in die Runde an ihrem Tisch, die sich aus ausgesucht blonden und jungen
Damen zusammensetzte. Sie riefen in Birne einen Ekel hervor, der ihm vor 24
Stunden noch fremd vorgekommen wäre. Dennoch beschloss er, cool zu bleiben, und
es wunderte ihn, wie leicht ihm das fiel. Er bekam sein Bier, setzte sich an
einen freien Tisch, nuckelte an seiner Flasche und blickte vergnügt durchs
Lokal.
    Simone kam länger nicht, Birne hatte sein Bier halb gekippt
und fand, dass sie es ein bisschen übertrieb, als sein Handy klingelte. Erfreut
stellte er fest, dass sie anrief, und nahm ab. Offensichtlich war sie aus
Versehen auf den Anrufen-Knopf gekommen, denn als er
sich meldete mit ›Hallo‹ oder so, hörte er sie sich nicht zurückmelden mit HallohieristSimone oder so, sondern ein Rascheln wie Stoff
oder Leder, das sich heftig an die Muschel eines Mobiltelefons rieb,
schließlich, weit entfernt, Stimmen. Eine konnte einem Mann gehören, eine
andere Simone. Verstehen konnte Birne nichts, dafür war die Musik hier in der
Kneipe zu laut. Dann gab es einen Schrei – von Simone wahrscheinlich – oder
auch ein Lachen, das ließ sich nicht unterscheiden. Dann war die Verbindung
wieder zu Ende und Birne etwas in Sorge. Abgesehen davon kam er sich indiskret
vor, weil er versehentlich Dinge gehört hatte, die nicht für ihn bestimmt
waren, weil er nicht gleich aufgelegt hatte, sondern gelauscht hatte auf Kosten
von Simone. Er nahm einen tiefen Schluck, ging zur Theke und winkte der
Bedienung – er wollte noch eins und sich keine Gedanken machen. Die Gedanken
kamen wieder mit dem nächsten Bier, außerdem der Drang, aufs Klo zu gehen. Das
fand Birne günstig, denn dort konnte er sich nicht nur erleichtern, sondern
auch die Ruhe haben, um Simone noch mal anzurufen. Es wurde abgenommen,
zweifelsfrei genauso unabsichtlich wie beim ersten Mal: wieder diese
Geräuschkulisse. Birne konnte wieder nichts verstehen, konnte nur ein paar
verschiedene Männer- und Frauenstimmen identifizieren, dazwischen, diesmal
eindeutig, ein Lachen. Ein Fest? Schwer möglich. Eine Frau quiekte. Birne
erschrak und legte auf. Er konnte nicht sagen, ob was Schlimmes oder was
Lustiges die Frau hatte quieken lassen, dazu hatte er zu wenig von dem Quieken
gehört.
    Birne wusste nicht, wie er handeln sollte. Er verließ die
Toilette, um zu seinem Platz und Bier zurückzukehren. Wie zufällig begegnete er
vor der Tür, an der Stelle, an der sich Mann und Frau trennten, Alexa. Er hätte
sie schon ignoriert, aber sie sagte vergnügt und laut: » Hi !«
    »Hallo«, gab er mürrisch zurück.
    »Wie geht’s?« Sie war so unbekümmert fröhlich, wie er
schlecht gelaunt war.
    Er überlegte, ob er sie hier mitten am Scheidepunkt der
Geschlechter öffentlich umschlagen sollte, murmelte aber dann ein: »Passt
schon«.
    »Du, wenn du ganz allein hier bist, du, dann komm doch an
unseren Tisch, trinken wir zusammen was.«
    Jetzt konnte man nicht länger so tun, als sei nichts, jetzt
musste man doch mal sagen. »Und was erzählst du dann morgen dem Chef? Dass ich
dich auf offener Straße vergewaltigt habe?«
    Sie war überrascht. »Bist du besoffen?«
    »Nein, ausnahmsweise mal nicht.«
    »Dann tut’s mir leid.« Sie drehte sich, um zu den Blonden
zurückzukehren.
    »Warte doch.«
    »Wieso? Wenn du deine Ruhe willst, dann sag’s gleich.«
    »Meine Ruhe hätte ich gewollt, aber du hast sie mir ja nicht
gelassen.«
    »Was hab ich?«
    »Das würde ich auch gern wissen.«
    »Kannst du mir endlich mal erzählen, weshalb du dich so
aufführst? Ich hab dir nichts getan, ich hab dich nur gefragt, ob du dich zu
uns setzen willst. Mehr nicht.«
    »Mehr nicht? Wenn es nicht mehr war, dann bin ich ja meinen
Job nicht los, dann kann ich ja morgen da hingehen, wo du auch hingehst, oder?«
    »Du bist deinen Job los? Wieso das?«
    »Wieso das? Weil irgendjemand – ich schau jetzt niemanden an
– rumerzählt, dass ich dauernd besoffen bin, dass ich, wenn ich besoffen bin,
irgendjemand dauernd angrapsche, so wie jetzt.« Er langte nach ihr, doch sie
wich aus und fragte: »Wer erzählt so etwas?«
    »Na du.«
    »Ich?«
    »Natürlich.«
    »Das ist doch lächerlich.«
    »Aber unser Herr Chef, mein Herr Ex-Chef, findet das nicht
lächerlich, er hat mich heute Morgen deswegen gefeuert. So ist das.«
    »Weswegen?«
    »Weil du

Weitere Kostenlose Bücher