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Alpendoener

Titel: Alpendoener Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Spatz
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dran, zuerst ich, zuerst immer ich. Ich bin
ein guter Mensch, fragen Sie die Kollegen da draußen, ich drücke ein Auge zu,
wo es geht, aber nach dem letzten Vorfall – es wird der letzte in dieser Firma
sein, darauf können Sie sich verlassen – nach diesem letzten Vorfall muss ich
zum äußersten Mittel greifen – und seien Sie froh, dass das Ganze kein
Nachspiel vor Gericht hat.«
    Birne wusste nicht wirklich, worauf sein Gegenüber anspielte.
Was hatte er angestellt? Ging es um den Mord? Mord? Aber er war unschuldig.
    »Darf ich denn wenigstens erfahren, was mir vorgeworfen
wird?«
    »Ich hätte gut Lust, Sie anzuzeigen.«
    »Sie wollen mich anzeigen, weil ich mal ein, zwei zu viel
gesoffen habe? Da werden Sie sich aber sauber blamieren auf dem Revier. Wir
haben hier im Land ein Recht auf Rausch, und da sind Sie ein, zwei, sieben
Nummern zu klein, um dieses Bürgerrecht auszuhebeln.« Birne war zornig geworden
und kippte sich eilig den lauwarmen Schaumwein rein, sodass ihm links und
rechts der Mundwinkel kleine Rinnsale herunterliefen ,
was zwar verwegen aussah, seine Karten aber insgesamt noch weiter
verschlechterte. Der Sekt schmeckte nicht.
    »Von mir aus können Sie saufen, soviel Sie
wollen«, sagte der Chef ruhig und sobald er wieder Birnes Aufmerksamkeit hatte. »Das geht mich nichts an. Wir zwei gehen uns generell
bald nichts mehr an. Nein, Herr Birne, ich meine etwas anderes, etwas, von dem
Sie geglaubt haben, dass es niemals nach oben kommt, aber so weit reicht eben
ihre Autorität nicht: Es gibt noch Menschen mit Zivilcourage.«
    Birne schaute ihn fragend an.
    »Sie wollen sich nicht erinnern. Waren Sie da auch besoffen?«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden, wenn ich ehrlich
bin.«
    »Stichwort: Fräulein Müller.«
    Die Praktikantin. Der Chef nannte sie Fräulein, gerade als
sei dies das 20. Jahrhundert. Lächerlich. »Was ist mit ihr?«
    »Sie wollen den Unschuldigen mimen, Sie wollen schauen, ob
Sie damit durchkommen. Leider Pech gehabt. Wir sind schlauer als Ihrereins .«
    Birne wurde laut, weil ihm klar wurde, dass er soeben
verloren hatte. »Würden Sie mir nun endlich sagen, was Sie mir vorwerfen. Ich
habe keine Ahnung, aber sobald ich eine habe, verlasse ich diesen Scheißpuff,
das verspreche ich Ihnen.«
    »Na, na, na, schreien Sie doch nicht so, damit belasten Sie
sich doch nur um so mehr.«
    »Was ist mit dem Fräulein Müller?«, sagte Birne leiser,
jedoch nicht gefasster, und machte Anführungszeichen in der Luft bei Fräulein.
    »Sie hat mir in einem vertraulichen Moment berichtet, dass
Sie versucht haben, sich an ihr zu vergehen.«
    »Wie bitte?« Birne hatte mit allem gerechnet.
    »Sie hat mich gestern angerufen, völlig aufgelöst und gesagt,
dass sie es nicht mehr aushalte. Ich habe noch nie ein Mädchen so unglücklich
erlebt. Ich habe nie geglaubt, dass es so etwas in meiner Nähe gibt. Ich bin
sehr traurig, Herr Birne. Ich denke, ich werde Sie doch anzeigen.«
    »Moment, Moment, Moment. Kann ich das Fräulein Müller noch
mal sprechen, kann sie vielleicht vor meinen Augen ihre Vorwürfe wiederholen?«
    »Selbstverständlich nicht. Sie ist heute zu Hause, sie kommt
erst wieder, wenn Sie weg sind. Irgendwie auch verständlich.«
    »Ja, Mann, verstehen Sie denn nicht, dass Sie hier einem
Schwindel aufsitzen, einem Schwindel, wie sie ihn sich nicht einmal trauen, im
Fernsehen zu zeigen. Sie ist jung, sie ist Praktikantin, sie ist heiß auf
meinen Job. Die intrigiert, dass einem schlecht wird – mir zumindest. Wollen
Sie das nicht sehen oder können Sie das nicht sehen? – Außerdem ist sie
überhaupt nicht mein Typ.«
    »Herr Birne?«
    »Ja?«
    »Sind Sie liiert?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Haben Sie eine Freundin, eine Verlobte, einen Freund?«
    »Nein, das heißt praktisch schon.«
    »Was heißt praktisch schon?«
    »Das heißt, dass wir schon zusammengehören, aber halt noch
nicht mitei … Warum erzähle ich Ihnen das? Sie sind
gar nicht berechtigt, mich das zu fragen.«
    »Nein, bin ich nicht, aber um ein Haar haben Sie sich
verplappert.«
    »Das Fräulein Müller ist auf jeden Fall, überhaupt nicht mein
Typ, meine Frau ist blond und drall …«
    Der Chef lächelte ihn arrogant an. Birne verstummte. Ihm
wurde klar, dass er soeben verloren hatte. »Sie stehen selbst auf sie, nicht
wahr?« Der Chef hielt es nicht einmal mehr für nötig, das zu beantworten.
    Sie saßen sich schweigend gegenüber. Birne blickte
verlegen auf

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