Alpengold (German Edition)
Er hatte sich eine Erkältung eingefangen, die sich offenbar zu einer Lungenentzündung ausweitete, befürchtete er. Der Kerl brauchte dringend einen Arzt. Sie alle waren erschöpft, hatten fast nichts mehr zu essen und kaum noch Wasser. Es zehrte sie aus und ob sie in die richtige Richtung liefen, konnte er nur hoffen.
So hatte er sich ihre Exkursion mit angehängtem Urlaub nicht vorgestellt, keiner von ihnen. Und wenn er daran dachte, mit leeren Händen, zerlumpt, erschöpft und um eine vermisste Person weniger in der Gruppe zurückzukommen und seinem Vater unter die Augen treten zu müssen, wurde ihm nochmal ganz anders. Er hörte schon die keifende Stimme seines Alten, wie er höhnte, er hätte es ja gewusst, dass ihre Fahrt und die Goldsuche Schnapsideen gewesen waren. Er weiß immer alles. Verdammt!
Ein kaltblütiger Verbrecher hatte den Jäger umgebracht und war vielleicht hinter ihnen her. Er dachte an Tina, was war mit ihr? Er verdrängte Hunger, Schmerz und Erschöpfung. Tina ging vor. Und Stefan brauchte einen Arzt. Sie mussten ins Tal, dort gab es Hilfe, für sie alle. Sie mussten es einfach schaffen!
Kapitel 6
Als sie eine kurze Rast einlegten, sank Jens erschöpft zu Boden. Er glaubte, keinen Meter mehr laufen zu können. Den anderen erging es ähnlich, jeder stöhnte herzerweichend.
„Wie viel haben wir geschafft?“, fragte Sandra.
„Das willst du nicht wissen“, gab Mark zurück.
Stefan lag am Boden, sein Gesicht war schweißnass und er kämpfte mit Hustenreiz. „Aber ich will wissen, wie lange ich noch gehen muss.“
„Hey, Alter“, Mark kniete sich neben ihn. „Halte durch, okay? Tut mir leid, dass ich uns in so eine beschissene Lage gebracht habe, aber wer hätte das wissen können? Und dein verdammtes Bad im Eiswasser des Sees ...“, er brach ab.
Jens nickte leicht. Gut so. Vorwürfe waren das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten. Sie mussten essen und trinken und dann weiter, so schwer das auch war. Alles in ihm rief nach Ruhe, eine kühle Cola trinken, sich hinlegen, die Augen schließen ... Jens ruckte hoch, er wäre beinahe eingeschlafen.
Sie verschlangen die letzten Fitneßriegel und leerten die letzte Flasche zu trinken. Ab jetzt hatten sie nichts mehr zu essen, auch Wasser stand nicht mehr zur Verfügung. Sicher gab es irgendwo Wasser und hier in der reinen Natur war es auch problemlos trinkbar, sie mussten es aber erst einmal finden.
Jens rappelte sich auf. „Wir müssen weiter und so weit wie möglich kommen, ehe es zu dunkel ist und wir nichts mehr sehen können. Dann weiter zu laufen, ist zu riskant und wir können rasten, nicht vorher. Uns erwartet eine ungemütliche Nacht.“
Stefan lachte auf, es klang wie ein Bellen und ging in Husten über. „Ein wärmendes Feuer wird nicht möglich sein, was?“
„Nee, erstens ist alles nass und zweitens würden wir damit auf uns aufmerksam machen.“ Jens schüttelte sich. „Keine Ahnung wo die Räuber und Entführer sind, ganz in der Nähe? Oder schon weit weg? Aber wir sollten kein Risiko eingehen. Ein Toter reicht doch, oder?“
„Ah, hör bloß auf, davon zu reden. Ich will nicht mal mehr daran denken“, stöhnte Sandra. „Der Mann hatte vielleicht Frau und Kinder. Grausam!“
„Ja.“ Mark schüttelte sich. „Zu was Menschen fähig sind. Und immer geht’s um Geld, Reichtum, verdammt!“ Wütend fuhr er sich übers nasse Haar und verzog das Gesicht. „Essen gibt’s auch nix mehr, den Rest haben wir in uns. Ich glaube nicht, dass wir hier oder im Wald etwas finden. Es gibt zwar Brombeersträucher, aber da sind noch keine Beeren dran. Schlimmer als der Hunger wird allerdings die Kälte werden, fürchte ich.“
Sie liefen, bis es dunkel war und Stefan plötzlich zusammenbrach. Er zitterte. „Ich kann nicht mehr. Lasst mich einfach hier liegen und holt Hilfe“, murmelte er kaum hörbar.
Sandra kauerte sich zu ihm und strich verschwitztes Haar aus der Stirn. „Ich kann dir nicht mal einen Schluck Wasser geben, du Armer. Es ist alles alle. Ich bin auch am Ende“, sie sah zu Mark auf. „Können wir nicht eine Pause machen?“
Mark zuckte die Schultern. Er blickte besorgt Stefan an. „Verdammt, alter Kumpel, was machst du nur für Sachen. Du kannst echt nicht mehr, was? Was machen wir denn jetzt?“ Er sah ratlos in die Runde.
„Wir bleiben alle hier. Die ganze Nacht“, entschied Jens.
Unter einer Kiefer mit dickem Stamm legten sie zwei Regenjacken auf das nasse Moos. Dicht an dicht
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