Alpengold (German Edition)
eine Runde draußen drehen zu wollen. Vorher überprüfte sie ihr Handy, ob sie Empfang hat. Wenn sie nun da ihren Vater angerufen hat. Er verschwand doch gleich darauf?“
Sie sah mit großen Augen den Beamten fragend an. Er reagierte nicht.
„Deshalb wollte sie unbedingt am zweiten Tag im Camp bleiben, jetzt wird mir alles klar!“
Jens hatte schon weiter gedacht. „Wenn ihr Vater der Schütze war und das Gewehr das des Jägers war, dann ... dann ...“
„Herr Neubach, das wissen weder Sie noch wir mit Sicherheit. Bitte stellen Sie keine Behauptungen auf, ja?“
„Und alles nur wegen des verfluchten Goldes. Weil sie alles haben wollten“, murmelte Sandra fassungslos. „Hätte dem Miststück nicht ihr Anteil gereicht?“
„Bitte beruhigen Sie sich und verurteilen Sie nicht schon vorab Frau Probst. Die Ermittlungen werden ergeben, ob Tina Probst entführt wurde oder als Komplizin Mitschuld am Tod zweier Menschen trägt. Ihre Hinweise waren sehr nützlich, ich werde ihre Aussage erweitern und morgen wird ein Beamter Sie beide noch einmal aufsuchen, um Sie unterschreiben zu lassen.
Es tut mir sehr leid, was S ie durchmachen mussten. Sie haben schlimme Erlebnisse zu verarbeiten. Ich empfehle Ihnen, im Anschluss an unser Gespräch Ihre Hausärzte aufzusuchen und sich eine Weile krank schreiben zu lassen. Inwieweit für Sie eine psychologische Betreuung infrage kommt, um das Trauma mit professioneller Hilfe aufzuarbeiten, will ich nicht einschätzen, diese Entscheidung liegt ganz allein bei Ihnen.
Ich wünsche Ihnen alles Gute und nur noch Glück im weiteren Leben. Falls Sie etwas von Tina Probst hören sollten, bitte ich Sie, die Polizei zu informieren.
Ich kann Ihnen nur raten, in Zukunft solche riskanten Expeditionen zu vermeiden. Auf Wiedersehen, Frau Keller, auf Wiedersehen, Herr Neubach.“
Vor dem Gebäude umarmten sie sich noch einmal zum Abschied und Sandra sagte: „Ich habe Tina bedauert und sah sie in den Händen gieriger und schmieriger Verbrecher, womöglich missbraucht oder gequält, das Luder! Da muss ich erstmal drüber wegkommen. Dass ich mich so in ihr täuschen konnte ...
Ich gehe jetzt zu meinem Arzt, du hast ja sicher deinen eigenen. Wir sehen uns auf den Beerdigungen, vorher nicht, denke ich. Ruf mich vorher nur im Notfall an, ja? Ich brauche einfach Ruhe und Abstand, bitte.“
„Ist gut.“
Teil 2
Kapitel 10
„Scheiß Schmiere, scheiß Arbeit!“, fluchte Jens, als er nach dem Abtrocknen die dunklen Ränder unter den Fingernägeln bemerkte. Er schaute seine Hände genauer an, in den Linien der Innenflächen und den Poren der Außenseiten sah er weitere Zeugen seiner neuen Tätigkeit. Ölwechsel waren, wie der Name schon verriet, eine ölige Angelegenheit. Einen Moment lang fragte er sich, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, das Studium sang- und klanglos abzubrechen und als Hilfsarbeiter in der Autowerkstatt seines Vaters anzuheuern. Aber nach den Ereignissen in Norditalien war es ihm nicht möglich gewesen, das Studium der Geowissenschaften an der FU Dahlem fortzusetzen. Jede Vorlesung, jeder Mitstudent, ja, jeder einzelne Tag hätte ihn erneut an seine Freunde erinnert, an Tod und Gewalt. Das konnte er nicht durchhalten und das wollte er auch nicht.
„Jens, das Essen ist fertig, kommst du?“ Seiner Mutter gefiel der Wechsel von der Uni zur Werkstatt, aber ihr gefiel eigentlich alles, was er machte. Als er noch studiert hatte, war sie auch zufrieden gewesen. Jetzt war sie es vielleicht noch etwas mehr, weil sein Vater endlich seinen Willen durchsetzten konnte, seinen Sohn als Nachfolger für sich einzuarbeiten, dementsprechend besserer Laune zeigte er sich jeden Tag und das machte Mutter glücklich. Sein Vater wollte schon lange, dass sein Sohn in seine Fußstapfen trat und in der Werkstatt arbeitete – und sie eines Tages übernahm. Er selbst hatte eine Autowerkstatt von seinem Vater übernommen, die dieser nach dem Krieg aufgebaut hatte. Es handelte sich allerdings um eine andere, kleinere. Die, die er jetzt führte, hatte wiederum er aufgebaut. Die Familientradition sollte fortgeführt werden und nach einem Ausrutscher seines Sohnes schien er nun wieder auf den rechten Weg gefunden zu haben und das Erbe antreten zu wollen.
Schnell fuhr er sich noch einmal mit der Hand über die kurzen Haarstoppeln und warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Was er sah, gefiel ihm, im Gegensatz zu früher. Seit er gelegentlich ein
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